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Falsche Tatsachen, gravierende Lücken, inkorrekt wiedergegebene Zitate und irreführende Aussagen: In der Berichterstattung über Barzahlungsgrenzen, den digitalen Euro und die Bargeldabschaffung ist alles dabei.

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Diese Patzer erlauben sich renommierte Medien

Falsche Tatsachen, gravierende Lücken, inkorrekt wiedergegebene Zitate und irreführende Aussagen: In der Berichterstattung über Barzahlungsgrenzen, den digitalen Euro und die Bargeldabschaffung ist alles dabei. Von Hakon von Holst, 15.11.2023.

Falsche Tatsachen

Dass sich große Medien Fehler erlauben, wenn es um die Höhe geltender Barzahlungsgrenzen geht, ist keine Seltenheit. Laut einem Beitrag auf Tagesschau.de, erschienen am 29. September 2021, liegt die Bargeldobergrenze in Spanien »bei 2500 Euro, in Italien bei 1000 Euro«. Beide Zahlen waren bereits zum Veröffentlichungszeitpunkt falsch. Das Limit betrug in Spanien 1000 Euro, in Italien 2000 Euro.

In einem Beitrag vom Bayerischen Rundfunk von Januar 2023 heißt es bis heute, in Deutschland gebe es inzwischen »eine rechtliche Obergrenze für Bargeldzahlungen«. Die liege bei 10.000 Euro. Auch das ist falsch. Ferner schrieb der Autor, dass »seit 2023« ein Bargeldverbot beim Immobilienkauf gelte. Tatsächlich griff die Regelung erst ab dem 1. April 2023.

Mangelnde Fehlerkultur

Am 28. Juni 2023 stellte die EU-Kommission ihre Pläne für den digitalen Euro vor. Zugleich präsentierten die Kommissare einen Verordnungsentwurf, der »Probleme bei der Annahme von Bargeld« und »Schwierigkeiten beim Zugang zu Bargeld« lösen soll. Konkret würden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, derlei Probleme zu beobachten und – wenn es notwendig erscheint – Gegenmaßnahmen zu ergreifen (1). Im Gesetzesentwurf für den digitalen Euro wiederum sind bereits Strafen für Einzelhändler vorgesehen für den Fall, dass sie das neue elektronische Zahlungsmittel ablehnen. Medien berichteten in dem Zusammenhang fälschlich, wie Brüssel den Zugang zu Bargeld sicherstellen möchte:

Weil die EU-Kommission merke, dass der Abbau von Geldautomaten und die Schließung von Bankfilialen Schwierigkeiten bereite, »sollen Einzelhändler künftig Scheine und Münzen auch ausgeben können, ohne dass Verbraucherinnen und Verbraucher etwas kaufen.« Frankfurter Rundschau, 31. Juli 2023

 

»Mit dem digitalen Euro sollen Kunden künftig bei Einzelhändlern Bargeld ausgehändigt bekommen können, ohne dass sie etwas kaufen.« rbb24 und Tagesschau.de, 30. Juni 2023

 

»Soll mit dem digitalen Euro das Bargeld abgeschafft werden? Nein, es soll sogar leichter verfügbar werden.« So »sollen Einzelhändler künftig Scheine und Münzen auch ausgeben können, ohne dass Verbraucher etwas kaufen.« NDR, 29. Juni 2023

Der Deutschlandfunk ergänzt in einem laufend aktualisierten Beitrag ein weiteres Detail über die geplante Bargeld-Verordnung: »So sollen die Gebühren an Geldautomaten transparenter werden und Einzelhändler Münzen und Scheine wechseln müssen, ohne dass die Kunden etwas kaufen.« Beide Aussagen finden sich, mit kleinen stilistischen Unterschieden, spätestens seit dem 9. Juli 2023 auf der Internetseite des öffentlich-rechtlichen Senders.

Weder in der Bargeld-Verordnung noch in den online verfügbaren Presseerklärungen aus Brüssel vom 28. Juni 2023 fand ich einen Hinweis, dass solche Maßnahmen geplant wären (2). Ich versuchte meine Zweifel daran zu erhärten, dass Geschäfte in Zukunft Bargeld wechseln oder ausgeben müssten, und schrieb der EU-Kommission. Ein Pressesprecher antwortete, dass ihm derlei Pläne nicht bekannt wären und dass es in Brüssel unüblich wäre, wenige Monate nach Vorlage eines Gesetzesvorschlags noch weitere Initiativen im selben Bereich zu starten.

Korrigierte Beiträge listet der Deutschlandfunk auf einer speziellen Seite: »Fehlerkultur: Korrekturen und Richtigstellungen für Transparenz und Glaubwürdigkeit – und gegen Verschwörungstheorien und Manipulationsvorwürfe«, heißt es ganz oben. Ich nutze die angegebene E-Mail-Adresse und mache die Redaktion am 31. Oktober 2023 darauf aufmerksam, dass etwas nicht stimmt mit der Aussage, Einzelhändler müssten in Zukunft als Geldwechsler oder Bankautomat fungieren. Auch nach 14 Tagen bleibt die Antwort aus. Die Falschtatsache steht weiterhin auf der Webseite.

Parallel schreibe ich dem Norddeutschen Rundfunk. Dort nimmt man den Hinweis ernst und korrigiert den Beitrag innerhalb von drei Tagen. Eine Übersicht über wichtige Änderungen bietet auch dieser Sender: »Wir stehen zu unseren Fehlern! Transparent macht sie der NDR schon seit Langem. Dies geschieht vor allem dort, wo sie passiert sind – direkt unter den Online-Beiträgen als Hinweis der Redaktion gekennzeichnet. Um es noch klarer zu machen, gibt es diese Seite« für Korrekturen. Doch 14 Tage nach meiner E-Mail findet sich weder dort noch unter dem betroffenen Beitrag ein Änderungsvermerk.

Gravierende Lücken

»Ein Land ohne Bargeld – damit es faire Wahlen geben kann« titelt die Welt am 25. Februar 2023. Im Dezember des Vorjahres hatte Nigerias Zentralbank die Banken angewiesen, ihren Kunden nur mehr bescheidene Summen Bargeld auszuzahlen: am Schalter 100.000 Naira pro Privatperson und Woche; das entsprach 214 Euro. Bei Überschreitung des Höchstbetrags sollten die Banken eine Strafzahlung von fünf Prozent abziehen. Im selben Zug erschienen neue 200-, 500- und 1000-Naira-Banknoten; für die alten wurde eine kurze Umtauschfrist verkündet.

»Die Regierung hatte mit einer Währungsreform eigentlich Bestechung verhindern wollen – und löste stattdessen ein Chaos aus«, heißt es in der Welt. Davon liefert die Zeitung eine eindrückliche Reportage. Doch geht es wirklich (nur) um Bestechung? Zentralbankchef Godwin Emefiele sagte der Presse am 26. Oktober 2022: »Statistiken zeigen, dass sich über 85 Prozent des Bargeldumlaufs außerhalb der Tresore der Geschäftsbanken befinden.« Dies »ist ein besorgniserregender Trend, der sich nicht fortsetzen darf.«

Der Zentralbankchef benannte damit einen möglichen Profiteur: Ein Detail mehr – und die Geschichte erscheint in neuem Licht. Emefiele sagte beim selben Anlass: »Wir glauben außerdem, dass die Neugestaltung der Währung unsere Bemühungen um eine bargeldlose Wirtschaft unterstützen wird« – das befördere den Umlauf der elektronischen Naira, Nigerias Digitalwährung.

Probleme beim Zitieren

Mit »›Das Bargeld ist nicht in Gefahr‹« kommentierte die Zeit mit einem Zitat in der Titelzeile den Vorstoß des österreichischen Bundeskanzlers, Bargeld verfassungsrechtlich abzusichern. Wahrscheinlich wurde der Satz aus den Worten von ÖVP-Politiker Othmar Karas abgeleitet. Ihn zitieren die Autoren im Text mit: »Das Bargeld braucht nicht ›gerettet‹ zu werden, weil es nicht in Gefahr und in den EU-Verträgen abgesichert ist.«

Das bestätige auch Martin Selmayr, Vertreter der EU-Kommission in Österreich, in einer Nachricht auf Twitter (X). »›Maßnahmen, die die rechtliche oder faktische Abschaffung des Bargelds bezwecken oder bewirken, sind nicht zulässig‹«, zitiert die Zeit den Beamten. Tatsächlich formulierte er:

»Der EuGH urteilte explizit, dass das EU-Recht ›einer Regelung entgegensteht, die die rechtliche oder faktische Abschaffung des Euro-Bargelds bezweckt oder bewirkt, indem sie insbesondere die Möglichkeit untergräbt, eine Geldleistungspflicht in der Regel mit solchem Bargeld zu erfüllen.‹« (3)

Doch auch Selmayr selbst zitierte unvollständig und damit irreführend. Nicht von einer »Regelung« sprachen die Richter, sondern vom »Erlass einer nationalen Vorschrift«. Maßnahmen auf EU-Ebene waren nicht Verhandlungsgegenstand in dem Gerichtsverfahren zwischen Norbert Häring und dem Hessischen Rundfunk.

Faktencheckern vom Bayerischen Rundfunk muss das aufgefallen sein, denn in ihrem Beitrag vom 22. September 2023 heißt es fälschlicherweise, der Europäische Gerichtshof stelle »laut Selmayr« fest, »dass das EU-Recht einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die die Abschaffung des Bargeldes ›bezweckt oder bewirkt‹«.

Irreführende Aussagen

Damit ist eine Gefahr fürs Bargeld nicht aus der Welt. Denn die zitierten Richter äußerten sich zu Barzahlungsverboten. Wenn der Einzelhandel Banknoten und Münzen zunehmend ablehnt, geht dem Bargeld seine wesentliche Eigenschaft verloren: die eines Zahlungsmittels.

Zu den Standards beim Fakten-Checken zählt es, alle Schlüsselelemente einer Behauptung zu überprüfen. Darauf weist der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring in einer ausführlichen und lesenswerten Kritik hin. Hätte sich der Bayerische Rundfunk daran gehalten, wäre er in seinem Faktencheck zu dem Schluss gekommen, dass Warnungen vor einer Bargeldabschaffung insofern begründet sind, als dass Bargeld seine Bestimmung als Zahlungsmittel zu verlieren droht.

Der Bayerische Rundfunk hatte die These zweier Internetnutzer überprüft. Sie zitiert der Sender im Hörbeitrag mit den Sätzen »Achtung, Bargeld soll weg!« und »Die wollen die totale Kontrolle – und es wird kommen, so oder so«. Der BR interpretierte aus den Aussagen, »die EU plane, Bargeld komplett abzuschaffen«. Das stimme nicht.

Eine Definition dieser kompletten Bargeldabschaffung lieferten die Faktenchecker nicht. Ist der Punkt erreicht, wenn Barzahlungen ab null Euro verboten sind? Oder wenn kein Geschäft Bargeld akzeptiert? Oder vielleicht dann, wenn die Europäische Zentralbank die Ausgabe von Banknoten einstellt oder gar alle umlaufenden Scheine für ungültig erklärt?

Immer wieder tauche die Forderung auf, Bargeld im Grundgesetz zu verankern, so der BR. »Doch das ist gar nicht nötig. Die Fakten: Bargeld ist in der Europäischen Union durch das Verfassungsrecht geschützt. Würde man Bargeld als Zahlungsmittel abschaffen wollen, müssten alle 27 Mitgliedstaaten zustimmen.« Die Botschaft also: Alles in bester Ordnung.

Österreichs Nationalbankchef Robert Holzmann kritisierte in einem Gespräch mit der Kronen-Zeitung von August 2023, dass die Debatte »nicht präzise« geführt werde. »In den EU-Verträgen ist zwar festgelegt, dass der Euro das gesetzliche Zahlungsmittel ist. Aber im EU-Recht ist nicht geregelt, ob das Bargeld als Zahlungsmittel angenommen wird. Da braucht es eine Nachschärfung.«

Immer mehr Geschäfte lehnen Bargeld ab. Auf die Frage der Krone, ob er befürchte, »dass eine Abschaffung des Bargelds durch die Hintertür kommt«, antwortete Holzmann: »›Wehret den Anfängen‹, kann ich da nur sagen.«

Unklare Begrifflichkeiten

Um zu vermeiden, dass der Hörer oder Leser einen falschen Schluss zieht, bedarf es zumindest einer klaren Definition der diskutierten These. Ob Bargeld geschützt oder Barzahlungen vor einem Totalverbot durch die Mitgliedsländer geschützt sind, macht einen Unterschied. Mit dem Untertitel »Rechtspopulisten warnen vor einer angeblich drohenden Bargeldabschaffung, um Angst vor ›totaler Überwachung‹ zu verbreiten« hat der Bayerische Rundfunk in der Onlineversion seines Faktenchecks zudem einer nicht näher definierten Gruppe von Menschen ein Motiv unterstellt, für das er keinen Beweis vorbringt. Das lässt generell ein unschönes Bild von Leuten entstehen, die vor der Verdrängung oder Abschaffung des Bargelds warnen.

Fazit

Öffentlich-Rechtliche Medien, namentlich NDR und Deutschlandfunk, werben mit Fehlerkultur, während sich Teile ihrer Leserschaft weiterhin in dem Glauben wiegen, die EU-Kommission plane, Einzelhändler zu verpflichten, Bargeld zu wechseln oder auszugeben. Rundfunkgebühren-finanzierte Sender haben sich auf Informationen aus zweiter Hand verlassen, obwohl die Primärquelle, das heißt der Entwurf zur Bargeldverordnung, von Anfang an öffentlich im Internet stand. Mehr Recherche wäre wünschenswert.

Leser sollten sich darauf verlassen können, dass Zitate in Anführungszeichen dem Original entsprechen. Für die bedeutungswahrende Wiedergabe entgegen dem Wortlaut gibt es die indirekte Rede. Dass der Bayerische Rundfunk der Aussage von Martin Selmayr eine ursprünglich nicht vorhandene Bedeutung hinzufügt, ist ein No-Go. Im Umgang mit eigenen Fehlern, genauso wie mit Thesen, Fakten und Zitaten, darf von großen Sendern und Verlagen mehr erwartet werden.

Quellen und Anmerkungen

Der Autor hat Quellenangaben und Verweise, soweit es möglich war, direkt als Verlinkungen in seinen Artikel integriert, um eine leichtere Zugänglichkeit von Referenzen und weiterführenden Inhalten zu erzielen. Die nachfolgenden ergänzenden Hinweise sind im Text durch eingeklammerte Ziffern angekündigt worden:

(1) Laut dem Entwurf zur Bargeld-Verordnung würde es bereits ausreichen, wenn Mitgliedsländer lediglich »Postämter, Supermärkte, Apotheken oder das Gesundheitswesen« auf die Annahme von Banknoten und Münzen verpflichten. Die Europäische Zentralbank übt Kritik. Mehr: https://bargeldverbot.info/2023/10/28/ezb-annahmepflicht/

(2) Die Presseerklärungen gibt es hier: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_23_3501 und https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/qanda_23_3502 und https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/statement_23_3551 und https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/speech_23_3576

(3) Martin Selmayr gibt in Klammern Randnummer 62 des verlinkten Urteils als Quelle an.

Sollte eine Verlinkung nicht mehr funktionstüchtig sein, können Sie den Link im Wayback-Internetarchiv nachschlagen.

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Wie der Faktenfuchs kritische Stimmen verunglimpft https://bargeldverbot.info/2023/10/20/faktenfuchs-norbert-haering/ https://bargeldverbot.info/2023/10/20/faktenfuchs-norbert-haering/#respond Fri, 20 Oct 2023 13:25:57 +0000 https://bargeldverbot.info/?p=15896 Kategorie: Fachartikel | Gastbeitrag

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Bayern verschweigt fundierte Kritik an der Verdrängung des Bargelds und lässt engagierte Menschen in bösem Licht erscheinen.

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Wie der Faktenfuchs kritische Stimmen verunglimpft

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Bayern verschweigt fundierte Kritik an der Verdrängung des Bargelds und lässt engagierte Menschen in bösem Licht erscheinen. Ein Gastbeitrag von Dr. Norbert Häring, 20.10.2023.

Der „Faktenfuchs“ des Bayerischen Rundfunks hat Warnungen vor der „angeblichen Abschaffung des Bargelds“ als rechtsradikale, antisemitische Verschwörungstheorie demaskiert. Als einer der verunglimpften Warner habe ich den Beitrag mit erklärten Standards der Gruppe und den internationalen Standards für Faktenchecker verglichen. Er bricht jede Menge davon. Vieles davon streiten die Faktenfüchse nicht einmal ab. Aber Ergänzungen oder Korrekturen des vielfach fehlerhaften Beitrags nehmen sie nicht vor.

In einer Selbstbeschreibung des BR-Faktenfuchses heißt es:

„Die Faktenchecker-Truppe will nicht als Wahrheitsministerium verstanden werden, sie ist vielmehr Dienstleister auf der Suche nach mehr Fakten für die Diskussionen im Netz.“

Konkreter wird es im Beitrag „Faktenfuchs: Wie wir arbeiten“. Dort liest man folgende Prinzipien, von denen wir im Lauf dieses Beitrags sehen werden, dass die BR-Faktenfüchse sich in der Praxis einen feuchten Kehricht darum scheren:​

  1. „Die Recherchen des BR24 #Faktenfuchs entsprechen dem klassischen journalistischen Vorgehen, bei dem alle Perspektiven angehört (…) werden. (…) Die Faktenchecker versuchen, wo möglich, diejenigen zu kontaktieren, die die Behauptung aufstellen.“
  2. Verpflichtung auf den Code of Principles des International Fact Checking Networks. Darunter: Offenlegung eigener Interessenkonflikte.
  3. Ergebnisoffene Recherche
  4. „Wir versuchen zu klären: Was genau wird behauptet? Kann das sein? Gibt es dafür Belege oder nicht? Gibt es Hinweise, die aber noch nicht wissenschaftlich fundiert sind?“

Der diffamierende Faktenfuchs-Beitrag

Daran habe ich den Beitrag vom 22. September mit der nicht ganz sachlichen Überschrift „Wie eine angebliche Bargeldabschaffung Ängste schüren soll“ gemessen. Erkennbar ist gemeint, dass WARNUNGEN vor einer Bargeldabschaffung Ängste schüren sollen. Es geht im Vorspann weiter mit:

„Rechtspopulisten warnen vor einer angeblich drohenden Bargeldabschaffung, um Angst vor ‚totaler Überwachung‘ zu verbreiten. Wieso sich dieses Thema so gut dafür eignet und welche Rolle Verschwörungstheorien dabei spielen. Ein #Faktenfuchs.“

Vorangestellt werden drei Grundthesen:

  1. Das Recht auf Bargeld als Zahlungsmittel ist in der Europäischen Union auf Verfassungsebene verankert. Damit Bargeld abgeschafft werden könnte, müssten alle 27 Mitgliedstaaten zustimmen.
  2. Behauptungen zu einer angeblich drohenden Bargeldabschaffung kursieren seit Jahrzehnten. Sie knüpfen häufig an Mythen einer jüdischen Finanzverschwörung an.
  3. Besonders häufig verbreiten Akteure aus dem rechtspopulistischen bis rechtsextremen Spektrum Aussagen zu einer angeblichen Abschaffung des Bargelds.

Dass der Beitrag, über den ich hier schreibe, schon etwas älter ist, liegt vor allem daran, dass sich die Faktenfüchse stolze zehn Tage Zeit gelassen haben, um inhaltlich zu meiner Kritik Stellung zu nehmen. Man sei zu beschäftigt, um schneller zu reagieren, hieß es. Meine Vorwürfe waren nummeriert und einzeln begründet. Es wäre also leicht gewesen, auf jeden mindestens kurz mit einem „das stimmt nicht“ zu antworten. Stattdessen kam eine Stellungnahme, die in weiten Teilen im Ungefähren bleibt und gerade auf die schwerwiegendsten und offenkundigsten Mängel nicht explizit eingeht.

Ich habe mir in meinem Urlaub viel Mühe mit der Analyse dieses perfiden Beitrags gegeben, weil es sich nicht um eine isolierte Entgleisung, sondern um eine Kampagne gegen Bargeldverteidiger handelt.

Weil der Beitrag aufgrund der Vielzahl der schweren Mängel etwas länger geworden ist, hier vorab eine Übersicht dieser Mängel:

  1. Keine Anhörung der Gegenseite
  2. Verschwiegener Interessenkonflikt
  3. Diffamierende Verallgemeinerung
  4. Kein gleiches Maß
  5. Keine klare Darlegung der geprüften Behauptung
  6. Keine Primärquellen, keine Belege, keine Nachvollziehbarkeit
  7. Logikfehler
  8. Keine ergebnisoffene Recherche

1. Keine Anhörung der Gegenseite

Der Faktenfuchs ist Mitglied im International Fact-Checking-Network (IFCN) und unterwirft sich ausdrücklich dessen Prinzipien. Prinzip 5.5 schreibt vor, wenn möglich, diejenigen zu kontaktieren, die eine geprüfte Behauptung aufstellen, „um nach unterstützender Evidenz zu fragen“. Der Faktenfuchs erklärt auch auf seiner Netzseite unmissverständlich, dass er das tue, weil es zu den grundlegenden journalistischen Standards gehöre. Ich schrieb ihm also zur Einholung einer Stellungnahme:

„Aus Ihrem Text geht nicht hervor, dass Sie versucht haben, einen relevanten Warner vor Bargeldabschaffung zu kontaktieren und Stellung nehmen zu lassen. Hätten Sie es getan, und zum Beispiel mir als Autor des Wirtschaftsbestsellers ‚Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen‘ und Kläger gegen Bargeldannahmeverweigerung durch ARD und ZDF vor dem Europäischen Gerichtshof Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben, hätte ich Ihnen zu fast allen der folgenden Kritikpunkte Hinweise geben und mich gegen den impliziten (Antisemitismus-)Vorwurf verwahren können.“

Antwort des Faktenfuchses

In seiner Stellungnahme zehn Tage später schreibt der Faktenfuchs:

„Aufgrund der starken Verbreitung und der Relevanz des Themas ‚angebliche Bargeldabschaffung‘ haben wir uns entschieden, es aufzugreifen, jedoch nicht als klassischen Faktencheck einer Tatsachenbehauptung – wir überprüfen ja nicht die Behauptung, das Bargeld solle abgeschafft werden – sondern als ‚Prebunking‘-Artikel. Wir beleuchten also die Strategie, die manche Akteure mit der Verbreitung einer solchen Behauptung verfolgen. Durch das Bereitstellen von Informationen und analytischem Werkzeug wird die Resilienz gegenüber irreführenden Inhalten gestärkt.“

Nicht ausdrücklich gesagt, aber deutlich impliziert wird, dass die erklärten Standards für die eigene Arbeit und die IFCN-Standards nicht gelten, wenn es sich nicht um einen „klassischen Faktencheck“ handelt. Leider macht der Beitrag „Wie wir arbeiten“ keinen solchen Unterschied. Zu Recht präsentiert er die Anhörung der Gegenseite als grundlegenden Standard journalistischen Arbeitens, der für alle Recherchen des Faktenfuchses gelte.

Die Aussage „wir überprüfen ja nicht die Behauptung, das Bargeld solle abgeschafft werden“ ist eine für jeden Leser des Beitrags offenkundige Falschbehauptung, wie man sie von angeblich besonders faktenverliebten Journalisten nicht erwarten würde. Gleich das erste der drei vorangestellten (vermeintlichen) Rechercheergebnisse lautet: „Das Recht auf Bargeld als Zahlungsmittel ist in der Europäischen Union auf Verfassungsebene verankert. Damit Bargeld abgeschafft werden könnte, müssten alle 27 Mitgliedstaaten zustimmen.“ Im Haupttext wird diese (irreführende) Widerlegung der Behauptung von der drohenden Bargeldabschaffung weiter ausgebreitet. Es heißt dort unter anderem in direktem Widerspruch zu dieser: „Solche Pläne hat die EU nicht.“

Es handelt sich also entgegen der Schutzbehauptung der Faktenfüchse durchaus um einen Faktencheck, um die faktische Überprüfung einer Behauptung, wenn auch vielleicht nicht um einen „klassischen Faktencheck“.

Zwischenresümee

Der Faktenfuchs leugnet weder die ausgebliebene Anhörung der von ihm diffamierten Gruppe noch bietet er eine Rechtfertigung dafür. Er wirft nur eine Nebelkerze. Eine Behebung des Fehlers findet nicht statt.

2. Verschwiegener Interessenkonflikt

Grundsatz 2.3 des IFCN verlangt, eigene Interessenkonflikte kenntlich zu machen, darunter jedwede Beziehung der Faktenchecker zu anderen Organisationen, von der ein Mitglied der Öffentlichkeit vermuten könnte, dass es ihre Ergebnisse möglicherweise beeinflusst. Der Faktenfuchs bekennt sich nicht nur zu den IFCN-Grundsätzen, sondern verpflichtet sich auch ausdrücklich direkt zur Offenlegung von Interessenkonflikten. Ich habe deshalb um Stellungnahme zu Folgendem gebeten:

„In dem relevanten und von Ihnen angeführten Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Bargeld, war der Hessische Rundfunk stellvertretend für den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, einschließlich BR, die beklagte Partei, weil die gemeinsame Beitragseinzugszentrale die Annahme von Bargeld verweigert. Kläger in dem Verfahren war ich. Bei einer Institution, die verklagt wurde, weil sie Bargeldannahme verweigert, würde sich Lesern, die pflichtgemäß hierauf hingewiesen werden, die Möglichkeit aufdrängen, dass diese Institution nicht ganz unvoreingenommen die Fakten zu der These checkt, dass eine Bargeldabschaffung droht. Sie weisen aber nicht darauf hin.“

Antwort des Faktenfuchses

Keine

Zwischenresümee

Der Faktenfuchs hat entgegen den Standards, auf die er sich verpflichtet hat, einen eigenen Interessenkonflikt verschwiegen und streitet das nicht ab. Er korrigiert das Versäumnis aber auch nicht nachträglich.

3. Diffamierende Verallgemeinerung

Ich bat den Faktenfuchs um Stellungnahme zum Vorwurf:

„Bereits in der Überschrift diskreditieren Sie Warnungen vor einer Bargeldabschaffung als ‚Ängste schüren‘, was unlautere Absichten impliziert. Das ist für einen Faktencheck nicht angemessen, denn es ist immer Absicht von Warnungen, Besorgnis hervorzurufen. Verstärkend schreiben Sie in vorangestellten Grundthesen: ‚Behauptungen zu einer angeblich drohenden Bargeldabschaffung (…) knüpfen häufig an Mythen einer jüdischen Finanzverschwörung an‘ und ‚Besonders häufig verbreiten Akteure aus dem rechtspopulistischen bis rechtsextremen Spektrum Aussagen zu einer angeblichen Abschaffung des Bargelds.‘ Die Möglichkeit, dass mindestens ein relevanter Teil der Warner dies aus echter und legitimer Sorge und ohne niedere Motive tut, wird in Ihrem Beitrag praktisch nicht in Betracht gezogen, sodass alle Warner vor Bargeldabschaffung, mich eingeschlossen, in den Ruch des Antisemitismus und Rechtsextremismus gebracht werden. Sie schreiben sogar, der von Ihnen zitierte Experte ordne ‚DIE Behauptungen zur Bargeldabschaffung‘, also alle, ‚als rechtspopulistische Verschwörungstheorie ein‘ (Hervorhebung durch Großbuchstaben durch mich, N.H.).“

Antwort des Faktenfuchses

Der Faktenfuchs antwortet darauf, ohne auf die präsentierten Belege für Verallgemeinerung einzugehen, mit der Gegenbehauptung:

„Keinesfalls verallgemeinern wir (…), oder stellen Kritiker ‚pauschalierend in die antisemitische und ´rechtspopulistische bis rechtsradikale Ecke‘, wie Sie schreiben.“

Einzige sachliche Rechtfertigung ist:

„Wir gehen in unserem Text sehr deutlich auf den Unterschied zwischen faktischer Kritik an einer Bargeldabschaffung – die es unbestritten gibt (zum Beispiel Nachvollziehbarkeit von bargeldlosen Zahlungen, Verlust von Privatsphäre, Zustände wie in China, etc.) – und den Äußerungen, die von der faktischen Basis abweichen und an Verschwörungstheorien anknüpfen, ein.“

Diese Behauptungen sind in mehrfacher Hinsicht falsch und irreführend. Wie jeder Leser des Faktenfuchs-Beitrags leicht nachprüfen kann, wird dort nicht „deutlich“ ein Unterschied zwischen legitimer Kritik und rechten oder antisemitischen Verschwörungstheorien herausgestellt. Es werden lediglich ohne klare Einordnung in die Argumentation einige Argumente präsentiert, warum Bargeld wichtig ist und warum es deshalb gut ist, dass niemand das Bargeld abschaffen will. Dass es auch legitime Warnungen vor einer drohenden Bargeldabschaffung geben könnte, wird nur einmal, sehr weit hinten, in einem kurzen Nebensatz im Statement eines Experten erwähnt.

Zwischenresümee

Der Faktenfuchs stellt in diffamierend generalisierender Weise jeden Warner vor einer drohenden Bargeldabschaffung in die antisemitische oder „rechtspopulistische bis rechtsradikale“ Ecke und stellt zur Abwehr dieser Kritik in seiner Erwiderung falsche Behauptungen auf. Eine nachträgliche Klarstellung und Entschuldigung bei den Diffamierten gibt es nicht.

4. Kein gleiches Maß

IFCN-Prinzip 2.1 verlangt, vergleichbare Behauptungen anhand der gleichen hohen Standards in Sachen Evidenz und Beurteilung zu prüfen, unabhängig davon, wer sie tätigt. Ich sah das verletzt und schrieb dem Faktenfuchs:

„Sie begegnen jedoch der These der Warner, das Bargeld könnte bald abgeschafft werden, mit der Behauptung: ‚Solche Pläne hat die EU nicht‘. Diese belegen sie lediglich durch die weitere Behauptung, die EU-Kommission ‚will‘ mit einem anderen Gesetzentwurf ‚die Verfügbarkeit von Bargeld weiter stärken‘. Sie schließen aus den Verlautbarungen einer Partei (EU) direkt auf deren entsprechende Motive und Absichten, während sie der Gegenpartei summarisch und schon in der Überschrift unlautere Absichten unterstellen (Angst schüren, Antisemitismus verbreiten). Das widerspricht dem zitierten IFCN-Standard.“

Unterstützend wies ich auf von mir auf meinem Blog präsentierte Indizien dafür hin, dass die Kommission entgegen ihrer Verlautbarungen die De-facto-Beseitigung des Bargelds nicht verhindern will. Dazu gehört, dass sie dem als zusätzlichem gesetzlichen Zahlungsmittel geplanten digitalen Euro den Schutz zukommen lassen will, dass Geschäfte dessen Annahme nicht einseitig in ihren Geschäftsbedingungen ablehnen können, während sie dem bisher einzigen gesetzlichen Zahlungsmittel Bargeld diesen Schutz auch dann noch weiterhin versagen will.

Antwort des Faktenfuchses

Keine

Zwischenresümee

Der Faktenfuchs legt grob ungleiche Maßstäbe an Behauptungen an, je nachdem, von wem diese stammen, und bestreitet das in seiner Stellungnahme nicht.

5. Keine klare Darlegung der geprüften Behauptung

Entgegen der oben zitierten Selbstverpflichtung, zu klären, was genau behauptet wird, wird an keiner Stelle erläutert, was mit Bargeldabschaffungen und Warnungen davor gemeint ist. Nur implizit, aufgrund der Argumente zur Widerlegung, werden die Leser gelenkt, davon auszugehen, dass damit ein komplettes Verbot oder eine explizite komplette Abschaffung des Bargelds per Gesetz oder Änderung des EU-Vertrags gemeint ist und dass Warner vor Bargeldabschaffung also in aller Regel hiervor warnen. Das ist aber grob falsch. Ich habe das dem Faktenfuchs mitgeteilt und daneben:

„Es ist unmöglich, die Standards des IFCN für Faktenchecks zu erfüllen, wenn man die zu überprüfende These nicht hinreichend deutlich beschreibt. Das betrifft u.a. Grundsatz 3.3 des IFCN (meine Übersetzung): ‚Der Antragsteller prüft alle Schlüsselelemente der Anträge anhand von mehr als einer benannten Beweisquelle.‘ Sie checken die Schlüsselelemente der These nicht, weil sie nur das eine Element einer unzulässig stark verengten These prüfen. (…) Diese ist keinesfalls eine dominierende These und Sie liefern auch kein Beispiel für einen Warner, der diese These vertritt. Tatsächlich gehen die Warnungen von mir und anderen dahin, dass das Bargeld durch regulatorische und gesetzliche Beschränkungen so unattraktiv und teuer gemacht wird, dass es immer weniger genutzt wird, was es noch unattraktiver und teurer macht, bis es ganz von der Bildfläche verschwindet. Mit dieser relevanteren Auslegung des Wortes Bargeldabschaffung und den reichhaltigen Argumenten und Indizien, die ich und andere dafür vorgetragen haben, setzen sie sich überhaupt nicht auseinander.“

Antwort des Faktenfuchses

Keine, abgesehen von der erwähnten Falschbehauptung, dass in dem Beitrag die These von der drohenden Abschaffung nicht gecheckt werde und der mitschwingenden, abseitigen Interpretation, dass journalistische Grundsätze und die erklärten Grundsätze für die eigene Arbeit nicht gälten, wenn es sich nicht um einen „klassischen“ Faktencheck handele.

Zwischenresümee

Der Faktenfuchs versucht entgegen seiner Selbstverpflichtung und seiner Verpflichtungen als IFCN-Mitglied nicht, klarzustellen, wie genau die These lautet, mit der er sich auseinandersetzt. Er nutzt diese Unklarheit, um durch Assoziation verallgemeinernd Warner vor Bargeldabschaffung als latente Antisemiten oder „rechtspopulistisch bis rechtsradikal“ darzustellen. Er leugnet die fehlende Klarstellung der geprüften These nicht, behauptet allerdings fälschlicherweise, er habe gar keine These auf den Prüfstand gestellt. Eine nachträgliche Korrektur oder Ergänzung des Beitrags findet nicht statt.

6. Keine Primärquellen, keine Belege, keine Nachvollziehbarkeit

Grundsatz 3.2 des IFCN verlangt, vorrangig die besten verfügbaren Primärquellen zu nutzen. Ich wollte deshalb vom Faktenfuchs wissen, warum er keine relevanten Primärquellen für die Warnungen vor Bargeldabschaffung präsentierte, die angeblich überwiegend antisemitische Bezüge haben und rechtsradikal angehaucht sind:

„Nur ganz hinten zitieren Sie zwei namenlose Twitter-Nutzer mit den Warnungen ‚Achtung: Bargeld soll weg!‘ und ‚sie wollen die totale Überwachung.‘ Außerdem zeigen Sie ein Foto von einem Transparent bei einer nicht näher bezeichneten Demonstration auf dem steht: ‚Bargeld ist Freiheit. Nein zum digitalen Zentralbankgeld‘. Das Transparent warnt nicht direkt vor Bargeldabschaffung und sagt auch nicht aus, was Ihre vorangestellte Bildbeschreibung behauptet, nämlich einen Aufruf, möglichst viel Bargeld abzuheben. Sie stützen sich abgesehen von diesen kaum relevanten Beispielen allein auf Aussagen von Dritten über Warnungen vor Bargeldabschaffung und darüber, wie diese zu bewerten seien. Erst ganz hinten wird über einen Experten eine AfD-Politikerin aus einer Rede bruchstückhaft mit einer Warnung vor Bargeldabschaffung zitiert, aus er aber kein Antisemitismus oder Rechtsextremismus deutlich wird.“

Grundsatz 3.1 des IFCN verlangt von Faktencheckern „die Quelle aller wichtigen Belege anzugeben, die er bei seinen Faktenüberprüfungen verwendet hat, und die entsprechenden Links bereitzustellen, wenn die Quelle online verfügbar ist, so dass die Nutzer ihre Arbeit auf Wunsch nachvollziehen können.“ Ich bat deshalb um Stellungnahme zu Folgendem:

„Es ist aber nicht möglich für Leser, diesen Faktencheck zu replizieren, weil keine Beispiele und Quellen für die gecheckte These geboten werden, nirgends zu den Warnungen verlinkt wird und kein Vertreter der Warner zu Wort kommt. Die Expertenmeinungen stammen aus Gesprächen mit den Experten und sind ebenfalls nicht replizierbar für Nutzer. Nutzer können daher nicht ansatzweise nachprüfen, ob plausibel ist, dass es sich bei Warnungen vor Bargeldbeseitigung überwiegend um antisemitische und ‚rechtspopulistische bis rechtsradikale‘ Akteure und Thesen handelt.“

Antwort des Faktenfuchses

„Auch geht es bei unserer Arbeit nicht darum, Behauptungen zu weiterer Verbreitung zu verhelfen. Zwar sind Behauptungen, die sich stark verbreiten, Anstoß für unsere Recherchen. Wir tragen aber nicht zu deren Verbreitung – oder zur Verbreitung von Des- und Misinformation – bei. Deshalb anonymisieren wir Posts in unseren Artikeln und verlinken nicht auf die Behauptungen.“

Zwischenresümee

Die Faktenfüchse sind zwar Mitglied des IFCN und haben sich auf dessen Standards verpflichtet, darunter auch den, auf Primärquellen zu verlinken und Recherchen für Leser nachvollziehbar zu präsentieren. Sie tun das aber nicht, weil sie meinen, dadurch würden sie den von ihnen diskreditierten Behauptungen zur Verbreitung verhelfen. Das widerspricht nicht nur den IFCN-Standards, sondern die Aussage ist auch noch nachweislich falsch, wie man beispielsweise an einer vom Faktenfuchs in einem aktuellen Beitrag verlinkten Behauptung einer AfD-Politikerin zu ausreisepflichtigen Ausländern sehen kann.

7. Elementarer Logikfehler

Die Expertenargumentation beruht maßgeblich darauf, dass die Warnungen vor Bargeldabschaffung latent antisemitisch und rechtspopulistisch bis rechtsextrem seien, weil sie von Eliten ausgingen, die nicht das tun und wollen, was sie vorgeben, und vor Totalüberwachung warnen. Beides seien auch oft Bestandteile rechter und antisemitischer Verschwörungstheorien.

Genauso wenig, wie jede Flüssigkeit Wasser ist, wenn sie flüssig und transparent wie Wasser ist, ist jede Behauptung, die einer Elite unterstellt, gegen Interessen der Bevölkerung zu handeln, ohne das offen zu sagen, eine rechtsextreme Verschwörungstheorie.

Dass das nicht nur ein theoretisches Manko ist, sondern dass es für solche Behauptungen gute und vom Faktenfuchs ignorierte Gründe gibt, will ich zur Vermeidung von Doppelungen unter dem Folgepunkt darlegen.

8. Keine ergebnisoffene Recherche

Ich habe den Faktenfuchs darauf hingewiesen, dass es aus meiner Sicht einer ergebnisoffenen Recherche widerspricht, wenn man vor allem Experten auswählt, von denen man aufgrund ihrer Spezialisierung auf Antisemitismus und Rechtsextremismus schon weiß, dass sie die These zum Bargeld in diesem Lichte einordnen werden, und wenn die wissenschaftliche Qualifikation dieser Experten noch dazu grenzwertig ist. Der eine hat als höchsten wissenschaftlichen Abschluss einen Bachelor und studiert seit sechs Jahren auf den Master hin, der andere ist ein frisch promovierter „freischaffender Politikwissenschaftler“ ohne institutionelle Zugehörigkeit zu einer wissenschaftlichen Institution.

Auch die Nichtbefassung mit den Argumenten der Diffamierten und die Tatsache, dass man diese nicht zu Wort kommen lässt, widersprechen dem Grundsatz der ergebnisoffenen Recherche und führen zusammen mit dem dargelegten Logikfehler zu dem diffamierend generalisierenden Ergebnis, dass alle oder so gut wie alle Warnungen vor Bargeldabschaffung einen antisemitischen oder „rechtspopulistischen bis rechtsradikalen“ Hintergrund haben. Ich bat den Faktenfuchs um Stellungnahme zu:

„Die Expertenargumentation beruht darauf, dass die Warnungen latent antisemitisch und rechtspopulistisch bis rechtsextrem seien, weil sie von Eliten ausgingen, die nicht das tun und wollen, was sie zu tun und wollen vorgeben. Auf meinem Blog habe ich auf ein Arbeitspapier des Internationalen Währungsfonds hingewiesen, in dem Regierungen, die das Bargeld beseitigen wollen, explizit geraten wird, wegen des drohenden Widerstands der Bevölkerung langsam und heimlich vorzugehen und nach Möglichkeit Private mit Interesse an Bargeldbeseitigung vorangehen zu lassen. Es ist eine weithin bekannte Lebenstatsache, dass Politiker nicht immer transparent machen, was sie beabsichtigen. Ich habe außerdem auf meinem Blog und in meinen Büchern viele Belege dafür geliefert, dass die EU-Kommission, die Bundesregierung und andere entgegen ihren Verlautbarungen bargeldfeindlich eingestellt sind und handeln. Dazu gehört, dass die Bundesregierung zu den wichtigsten Finanzierern einer ‚Better Than Cash Alliance‘ (Besser-als-Bargeld-Allianz) gehört, die das Ziel verfolgt, die Bargeldnutzung zurückzudrängen, unter dem Vorwand, dass das der finanziellen Inklusion diene.“

Antwort des Faktenfuchses

Keine

Zwischenresümee

Dass ein Masterstudent und ein frischgebackener Doktor der Politikwissenschaften, die sich schwerpunktmäßig nicht mit dem Geldwesen, sondern mit Antisemitismus und Rechtsradikalismus beschäftigen, die oben aufgeführten Sachverhalte nicht kennen, kann man ihnen nicht vorwerfen. Aber hätten sich die Faktenfüchse im Zuge der versprochenen ergebnisoffenen Recherche mit den Argumenten der Warner vor Bargeldabschaffung beschäftigt, anstatt sich darauf zu konzentrieren, diese pauschal zu diffamieren, wären ihnen solche Informationen und Argumente zweifellos begegnet.

Zusammenfassende Beurteilung

Überwiegend falsch.

Anders als die angeblichen Faktenchecker des Bayerischen Rundfunks behaupten, sind Warnungen vor einer drohenden Bargeldabschaffung – in sinnvoller Definition – keinesfalls eine rechte oder gar antisemitische Verschwörungstheorie. Spätestens seit Beginn einer internationalen Kampagne gegen das Bargeld Anfang 2016, bei der maßgebliche Leute wie der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers und der ehemalige IWF-Chefvolkswirt Ken Rogoff ausdrücklich dessen weitgehende Abschaffung forderten, und den bargeldfeindlichen Reaktionen der deutschen und europäischen Politik darauf (Ende des 500-Euro-Scheins; Forderungen nach Barzahlungsverboten), ist es eine von weiten Teilen der Bevölkerung, und damit natürlich auch von Antisemiten und Rechtsradikalen, gesehene Gefahr.

Durch gezielte Konzentration auf Letztere, unter Auslassung aller anderen, durch tendenziöse Recherche, Verzicht auf Belege aus Primärquellen, Nichtkontaktieren derer, die die Behauptung aufstellen, semantische Tricks, fehlerhafte Kurzschlusslogik, vage Definition der geprüften Behauptung, Messen mit ungleichem Maß und unzulässige Verallgemeinerung erweckt der Faktenfuchs gezielt einen falschen Eindruck, mit dem er alle Warner vor Bargeldabschaffung zu Unrecht diffamiert, und das auch noch ohne auf einen eigenen Interessenkonflikt hinzuweisen.

In angemessenem Ton auf alle diese eklatanten Mängel seines Beitrags hingewiesen, nimmt sich der Faktenfuchs über eine Woche Zeit, um diese Vorwürfe überhaupt zu prüfen und lässt den diffamierenden Beitrag weiter online. Seine Stellungnahme nach zehn Tagen ist schließlich voller Ausflüchte und falscher Behauptungen und geht nicht auf die schwerwiegendsten Vorwürfe wie Nichtkontaktieren der Angegriffenen und Verschweigen eines Interessenkonflikts ein. Der Faktenfuchs lässt den Beitrag auch danach unverändert online abrufbar stehen.

Publizistisch tätige Menschen, die so handeln, sind keine Journalisten, sondern Propagandisten im Dienste der Obrigkeit.

Nachwort

Der Vollständigkeit halber will ich noch erwähnen, dass ich den Faktenfuchs darauf hingewiesen habe, dass er aus meiner Sicht das von ihm angeführte Bargeld-Urteil des Europäischen Gerichtshofs in meinem Verfahren gegen den Hessischen Rundfunk falsch interpretiert und auf weitere falsche Schlussfolgerungen (aus meiner Sicht). Darauf erhielt ich keine Antwort.

Damit Sie ein Gefühl dafür bekommen, wen außer mir die Faktenfüchse in die rechtsradikale Ecke stellen, will ich ein paar ausdrückliche Warner vor Bargeldabschaffung aufzählen. Dazu gehört ein Bundesbankvorstand. Die Bundesbank schrieb zu ihrem Bargeldsymposium 2018:

„Bundesbankvorstand Carl-Ludwig Thiele hat sich gegen eine Abschaffung des Bargelds ausgesprochen. Sie berge hohe Risiken, bei denen die Nachteile die Vorteile bei weitem überwögen, sagte Thiele beim vierten Bargeldsymposium der Bundesbank.“

Ist der Bundesbankvorstand etwa einer antisemitischen Verschwörungstheorie aufgesessen?

Die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission haben ihre Pläne zur Ausgabe eines digitalen Zentralbankgelds als zweitem gesetzlichen Zahlungsmittel parallel zum Bargeld auch damit begründet, dass die Nutzung des Bargeldes immer weiter zurückgehe und in absehbarer Zeit vernachlässigbar werden könnte. Wörtlich schreibt die Kommission zur Begründung der Notwendigkeit von digitalem Zentralbankgeld als zusätzlichem gesetzlichen Zahlungsmittel: „The objective of this proposal is to ensure that central bank money with the status of legal tender remains available to the general public.“ („Das Ziel dieses Vorschlags ist, sicherzustellen, dass Zentralbankgeld mit dem Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels für die Öffentlichkeit verfügbar bleibt.“

Und dann sind da noch maßgebliche Politiker von FDP und Grünen, wie ein Artikel aus dem Jahr 2016 beweist, als im Gefolge einer von den USA ausgehenden Kampagne gegen das Bargeld (Larry Summers, Ken Rogoff, Wim Buiter) die Diskussion um eine Bargeldabschaffung erstmals richtig hochkochte:

„Auch Deutschland bewegt sich langsam in eine Richtung, an deren Ende die vollkommene Abschaffung des Bargelds stehen könnte. Die Bundesregierung setzt sich derzeit für eine europäische Obergrenze für Bargeldgeschäfte ein. Doch wenn es auf der EU-Ebene keine Einigung gibt, dann will die Bundesregierung auch alleine handeln. (…) Für die FDP sagte der Finanzexperte Dr. Volker Wissing: ‚Union und SPD geht es nicht um die Bekämpfung der Terrorfinanzierung, sondern um die Kontrolle über die Sparguthaben.‘ Die FDP lehne den Einstieg in ein Bargeldverbot ab. ‚Bargeld ist gelebte Freiheit, die wir nicht preisgeben sollten.‘ Die Grünen sehen das ähnlich wie die FDP. Ihr Bundestagsabgeordneter und Datenschutz-Experte Konstantin von Notz kritisierte den Vorstoß des Finanzministeriums via Twitter: ‚Der Versuch, nun Bargeldzahlungen massiv einzuschränken, ist ein neuer fundamentaler Angriff auf den Datenschutz und die Privatsphäre.‘“

Dieser Beitrag erschien zuerst am 10.10.2023 auf dem Blog »Geld und mehr« von Norbert Häring.

Über den Autor

Dr. Norbert Häring, Jahrgang 1963, ist Wirtschaftsjournalist und seit 2002 Redakteur beim Handelsblatt. Von ihm erschienen unter anderem die Bücher »Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen«, »Schönes neues Geld« und »Endspiel des Kapitalismus«. Seine Beschwerde gegen die Entscheidung in seinem Verfahren auf Barzahlung einer hoheitlich auferlegten Geldleistungspflicht (Rundfunkbeitrag) ist beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Weiteres erfahren Sie hier.

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Bares in Gefahr? https://bargeldverbot.info/2023/10/11/bares-in-gefahr/ https://bargeldverbot.info/2023/10/11/bares-in-gefahr/#comments Wed, 11 Oct 2023 11:06:45 +0000 https://bargeldverbot.info/?p=15530 Kategorie: Fachartikel

Bargeld in die Verfassung, forderte der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer am 4. August 2023. Damit traf der Regierungschef einen Nerv. Deutsche Medien rätselten, vor wem Nehammer das Bargeld schützen will. Kennen denn Banknoten und Münzen keine Feinde? Genießt das Bargeld bereits Schutz durch die EU-Verträge? Der Autor geht einen Schritt weiter und fragt außerdem, ob das einzige etablierte freie Zahlungssystem schon heute Kerneigenschaften verliert. Denn das wäre mit einer Bargeldabschaffung gleichbedeutend.

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Bares in Gefahr?

Große Medien berichten, Bargeld sei vor der Abschaffung geschützt – das lenkt von der entscheidenden Frage ab. Von Hakon von Holst, 11.10.2023.

Bargeld in die Verfassung, forderte der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer am 4. August 2023. Damit traf der Regierungschef einen Nerv. Deutsche Medien rätselten, vor wem Nehammer das Bargeld schützen will. Kennen denn Banknoten und Münzen keine Feinde? Genießt das Bargeld bereits Schutz durch die EU-Verträge? Der Autor geht einen Schritt weiter und fragt außerdem, ob das einzige etablierte freie Zahlungssystem schon heute Kerneigenschaften verliert. Denn das wäre mit einer Bargeldabschaffung gleichbedeutend.

I: Ist Bargeld EU-rechtlich abgesichert?

»Das Bargeld ist nicht in Gefahr«, weiß die Zeit zu berichten und hält Österreichs Regierungschef eine Aussage von Martin Selmayr entgegen. Der EU-Beamte bestätige, dass das Bargeld nicht gerettet zu werden brauche. Schließlich sei es von den Europäischen Verträgen abgesichert; eine Änderung bedarf der Zustimmung aller 27 Mitgliedsstaaten. Selmayr schrieb, der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe explizit geurteilt, »dass das EU-Recht ›einer Regelung entgegensteht, die die rechtliche oder faktische Abschaffung des Euro-Bargelds bezweckt oder bewirkt‹«.

Die Entscheidung fiel im Gerichtsverfahren zwischen dem Journalisten Norbert Häring und dem Hessischen Rundfunk. Häring wollte verhindern, dass staatliche Stellen dazu übergehen, Bargeld abzulehnen. Der Zeit fiel offenbar nicht auf, dass Selmayr falsch zitierte. Denn die Richter sprachen von »einer nationalen Vorschrift«; Maßnahmen auf EU-Ebene waren nicht Verhandlungsgegenstand.

Dem Urteil ging eine Analyse des Generalanwalts Giovanni Pitruzzella voraus. Er schrieb vorsichtig und ohne weitere Begründung, dass Artikel 128 AEU-Vertrag »die Existenz von Euro-Banknoten« garantiere. Das lege die Annahme nahe, »dass ihre vollständige Abschaffung gegen das Unionsrecht verstieße«. Von dem Wörtchen Existenz lässt sich nicht ableiten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) zu allen Zeiten Banknoten drucken wird. Ihren eigenen Worten nach möchte sie das tun, »solange die Nachfrage besteht« (3). Natürlich besitzt die EZB momentan keine andere Wahl, wenn man die Funktionsweise des Währungssystems, die Grundrechte und den öffentlichen Druck berücksichtigt.

Achtung, digitale Währung

Was ändert sich, wenn der elektronische Euro kommt? Chinas früherer Zentralbankchef Zhou Xiaochuan meinte einmal, Papiergeld sei nicht dafür gestaltet, anonym zu sein. Damit beantwortete er die Forderung nach einer strikt Privatsphäre-freundlichen Digitalwährung. Zugleich prophezeite er, der elektronische Yuan werde das Bargeld eines Tages vollständig ersetzen. Ob digital oder analog – auch Generalanwalt Pitruzzella maß den aus der physischen Form der Währung erwachsenden Eigenschaften keine besondere Bedeutung bei für deren Funktion als Zahlungsmittel.

Wenn eine elektronische Variante des Bargelds existiert: Wäre die Europäische Zentralbank noch daran gehindert, die Ausgabe aller Banknoten einzustellen? In Artikel 128 AEU-Vertrag heißt es nur: »Die Europäische Zentralbank hat das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Euro-Banknoten innerhalb der Union zu genehmigen.« Und: »Die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.« Die währungstechnische Funktion von Bargeld könnte jedenfalls auch von einem E-Euro ausgefüllt werden. Die Medien schweigen zu diesem Punkt.

Theoretisch kann die EZB versuchen, schon heute alle Geldscheine bis auf den Fünfer abzuschaffen. Die Ausgabe des Fünfhunderters wurde bereits eingestellt. Er besitzt weiterhin Zahlungskraft, weil die Währungshüter in Frankfurt, ihrer Aussage nach, das Vertrauen in den Euro erhalten wollen. Würde der EZB-Rat alle Scheine bis auf den Fünfer zurückrufen, wären extrem niedrige Barzahlungsobergrenzen im Bereich von zehn Euro denkbar, sofern grundrechtliche Problematiken außen Acht bleiben. Kandidaten gäbe es: Die griechische Regierung dachte unlängst darüber nach, die Bargeldgrenze von 500 auf 200 Euro zu senken.

Niedrige Barzahlungslimits: Wer trägt den Schaden davon? »Wir versuchten, dem Blick eines Überwachungsriesen zu entgehen, während wir durch seine Tore spähten«, schrieb Barton Gellman (1). Er gehörte zu dem erlesenen Kreis von Journalisten, denen sich Edward Snowden anvertraut hatte. »Wir konnten nicht darauf hoffen, lange unentdeckt zu bleiben, aber wir kämpften um jede Minute.« So kauften Barton Gellman und Laura Poitras billige Laptops, um mit dem Whistleblower zu kommunizieren. Damit sie nicht ins Fahndungsraster gerieten, zahlten sie mit Bargeld.

Ob die Öffentlichkeit durch journalistische Arbeit von Missständen wie der NSA-Überwachung erfahren kann, besaß für Generalanwalt Pitruzzella aber keine grundrechtliche Bedeutung. Eine Problematik sah er stattdessen in Sachen finanzielle Inklusion, schließlich besitzen weiterhin 13 Millionen Erwachsene in der EU kein Konto. Wie gut, dass der E-Euro nach dem Willen der EU-Kommission für jedermann verfügbar und kostenlos sein soll. Problemlos umtauschbar, überall akzeptiert und ohne Mobilfunkverbindung nutzbar, damit kleine Beträge in allen Lagen über kurze Distanz von Smartphone zu Smartphone gesendet werden können. Folglich sinken mit der Etablierung des E-Euros Hürden, Barzahlungen aus Gründen öffentlichen Interesses einzuschränken.

II: Keiner will Münzen und Scheine beseitigen?

»Rechtspopulisten warnen vor einer angeblich drohenden Bargeldabschaffung, um Angst vor ›totaler Überwachung‹ zu verbreiten«, leitete der allwissende Faktenfuchs vom Bayerischen Rundfunk am 22. September 2023 einen Faktencheck ein. Meinte er vielleicht: »aus Angst vor totaler Überwachung«? Sicherlich gibt es Leute, die auch mit niederen Motiven vor etwas warnen. Jedoch müssen die Öffentlich-Rechtlichen nach Paragraf 26 Medienstaatsvertrag »in ihren Angeboten eine möglichst breite Themen- und Meinungsvielfalt ausgewogen darstellen«.

Die ganze Bandbreite an Kritikern der Bargeldabschaffung sollte deshalb nicht im Fließtext versteckt werden. Oder folgten vielleicht die Kollegen vom SWR niederen Motiven, als sie Ende 2020 in einer 45minütigen Sendung darüber aufklärten, »wer so scharf auf die Abschaffung unseres Bargeldes ist«? Oder gar Bundesbankvorstand Carl-Ludwig Thiele mit seiner Warnung vor Barzahlungsgrenzen: »Freiheit stirbt scheibchenweise«?

Weil der digitale Euro in Diskussion ist, hätten einige User im Internet Sorge, dass bald das Bargeld abgeschafft werde. »Solche Pläne hat die EU nicht«, weiß der Faktenfuchs, als hätte er in jeder Schreibtischschublade von Brüssel, Frankfurt und Straßburg gewühlt. Nach dem Argumentationsmuster gibt es also keine Pläne, solange keine Beweise existieren. Sehr schön, dann wäre uns auch der Afghanistan- und der Irak-Krieg erspart geblieben, denn Saddam Hussein hätte nie Massenvernichtungswaffen besessen und die al-Qaida stünden nicht hinter der Vernichtung des World Trade Centers.

Klar, EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis stellte 2017 klar: »Wir sind an keiner Debatte über die vollständige Abschaffung von Bargeld beteiligt und sprechen diesbezüglich keine spezifische Empfehlung aus.« Am 26. März 2020 schrieb er auf Twitter: »Zeit, Münzen gegen Zahlungskarten zu tauschen«, und verkündete die Anhebung des Grenzbetrags für kontaktlose Zahlungen. Dafür hatte das Kartenunternehmen Visa bei Dombrovskis lobbyiert – mit Verweis auf eine bessere Bekämpfung von Corona. Schon damals, zu Beginn der Krise, wussten die Währungshüter in Frankfurt, dass Bargeld keine Gefahrenquelle für die Gesundheit darstellt. Deren Erkenntnisse machte Dombrovskis nicht bekannt.

Schleichende Verdrängung

Bargeld lebt davon, dass es als Zahlungsmittel genutzt werden kann. Wenn man es an den Rand drängt, lehnen immer mehr Geschäfte Banknoten und Münzen ab (5). Der Chef der Österreichischen Nationalbank nannte jüngst ein paar Zahlen: »In den Niederlanden nehmen zwölf Prozent der Apotheken kein Bargeld mehr an. Auch in rund 22 Prozent der Kinos geht Barzahlung nicht mehr.«

Das hat Folgen für unsere Freiheit. Bevor Edward Snowden die Flucht aus Amerika antreten musste, hob er seiner Lebensgefährtin Bargeld ab, damit der Staat es nicht würde beschlagnahmen können. Was wäre Lindsay Mills davon geblieben, wenn sie die Groschen erst auf ihr Konto hätte einzahlen müssen, um etwas davon zu kaufen? »Wo kommt das ganze Geld her?«, hätte der Geldwäscheprüfer im Mantel des FBIs gefragt.

Trotzdem besitzt die Verdrängung von Banknoten und Münzen Unterstützer: »Haltet am Bargeld fest – der Markt macht es«, empfahl Digitalkommissar Günther Oettinger 2016. »Bargeld stirbt aus: Wir werden mit der Apple-Watch bezahlen, mit dem Smartphone bezahlen.« Ein Abteilungsleiter aus der »Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen« erklärte schon in den 2000ern auf einem Kongress von Mastercard, dass man »die Ziele des Kriegs gegen das Bargeld« teile. Um Aufklärung über diesen Krieg bemüht, in Fachkreisen »War on Cash« genannt, veranstaltete die Bundesbank 2017 sogar eine mehrtägige internationale Konferenz.

Der Faktenfuchs aber ist sicher, dass die EU den Zugang zu Bargeld weiter verbessern wolle und dafür sorgen möchte, dass Banknoten und Münzen als Zahlungsmittel Akzeptanz in den Geschäften behalten. Gemäß der geplanten Bargeld-Verordnung jedoch, vom BR als Beweis angeführt, würde es der EU-Kommission genügen, wenn Bargeld nur in den grundlegendsten Bereichen – dazu zählen Supermärkte und Apotheken – akzeptiert bleibt. Auch an konkreten Vorgaben, in welchem Mindestabstand Möglichkeiten bestehen müssen, Bargeld abzuheben, mangelt es. Im Gesetzesentwurf für den digitalen Euro dagegen ist eine strikte Annahmepflicht für E-Euros im Einzelhandel vorgesehen.

Die EU verteuert die Kosten für die Einzahlung von Bareinnahmen auf der Bank mit der Münzprüfverordnung, während die Interbankenentgeltverordnung die Preise für Kartenzahlungen senkt. Damit treibt man den Einzelhandel dazu, unbare Zahlungsmittel zu bevorzugen. Derweil kann die Finanzindustrie ihre Geschichten vom gefährlichen Bargeld erzählen und das Vertrauen in Banknoten und Münzen weiter untergraben.

Auch die Bundesregierung hilft mit und spendet fleißig für die von Norbert Häring viel kritisierte Better Than Cash Alliance (BTCA). In den Jahren 2016 bis 2022 flossen 1,3 Millionen Euro. Die BTCA trat unter anderem als Unterstützerin von Catalyst in Erscheinung. Diese Initiative hat sich dem Ziel verschrieben, in Indien »alltägliche Einkäufe bargeldlos zu machen«.

Dennoch besitzt der Faktenfuchs bestes Vertrauen in die Politik. Über die BTCA verliert er kein Wort. Die Diskussion um das Bargeld in anderen EU-Ländern geht an ihm vorbei. Dabei setzt sich der Rat der Europäischen Zentralbank, dem die Entscheidung über unsere Banknoten obliegt, nicht allein aus deutschen und österreichischen Vertretern zusammen, sondern aus Gesandten vieler EU-Staaten.

Die früheren Ministerpräsidenten Italiens, Romano Prodi und Matteo Renzi, machten im Jahr 2020 Vorschläge, wie man das Bargeld als Zahlungsmittel überwinden könnte. Auch der damals amtierende Giuseppe Conte soll sich laut dem Südtiroler Landeshauptmann für eine schrittweise Abschaffung der Barzahlung ausgesprochen haben. Nachfolger Mario Draghi, zuvor Präsident der Europäischen Zentralbank, ernannte Vittorio Colao zum Digitalisierungsminister, einen Parteilosen, der öffentlich äußerte, dass die Bargeldobergrenze, wenn es nach ihm ginge, null Euro betragen könnte (2).

Yves Mersch war Mitglied im sechsköpfigen Direktorium der Europäischen Zentralbank. Er schrieb schon 2016 in einem Gastbeitrag für den Spiegel anlässlich der Abschaffung des 500-Euro-Scheins: »Die Entscheidung ist in einem Umfeld gefällt worden, in dem Bargeld per se kritisch hinterfragt wird.« Vorschläge, Bargeld komplett abzuschaffen, kämen »vor allem von Bankern oder bankfinanzierten Ökonomen« – wenn auch gerne »in akademischer Garderobe gekleidet« (4).

III: Verliert Bargeld schon heute wesentliche Eigenschaften?

Alles scheidet sich daran, ob Banknoten und Münzen zugänglich sind und als Zahlungsmittel rege Verwendung finden. Bargeld verleiht uns bessere Kontrolle über unsere Ausgaben. Besonders in persönlichen finanziellen Notlagen besitzt ein mit Händen greifbares Zahlungsmittel große Vorteile, da es die Sinne anspricht. Weil Bargeld ein anonymes Zahlungsmittel ist, verleiht es gewissen Schutz vor einem übergriffigen Staat. Der Bürger besitzt somit ein Stück Kontrolle über sein Geld und Überleben.

Doch immer mehr Geldautomaten und Bankfilialen verschwinden. In Österreich zahlen einige Gemeinden bereits dafür, dass ein Bankomat im Ort ist. Weder Generalanwalt noch Richter am Europäischen Gerichtshof äußerten sich dazu, ob die EU-Kommission verpflichtet ist, ausreichend Möglichkeiten sicherzustellen, Bargeld abzuheben.

Unternehmen im Einzelhandel müssen Banknoten und Münzen auf ihre Konten einzahlen. Je weiter die Wege, desto teurer und gefährlicher der Transport. Auch ein Geldtransportunternehmen kann seine Preise nicht allein nach dem Umfang der täglichen Bareinnahmen gestalten. Wenn weniger und weniger bar bezahlt wird, droht eine Negativspirale, wie sie Professor Malte Krüger 2020 in der Anhörung »Welt ohne Bargeld« vor Bundestagsabgeordneten beschrieb:

In der Diskussion um Karl Nehammers Verfassungsinitiative ließ der Tagesspiegel auch den Bargeld-Befürworter Professor Gerald Mann zu Wort kommen: »Heute ist bargeldloses Zahlen gerade für große Einzelhändler kostengünstiger. Sie werden früher oder später Bargeld gegenüber Kartenzahlung diskriminieren und so gewinnorientierte Zahlungsdienstleister erfreuen. […] wird dann Cash immer weniger genutzt, steigen die relativen Kosten für die notwendige Infrastruktur noch mehr an, sodass wir bargeldlos werden.«

Spätestens dann aber wird die Finanzbranche beim Einzelhandel die Hand aufmachen. Wie gut, dass die EU-Kommission vorgesorgt hat: Der E-Euro ist nach dem Gesetzesentwurf für private Nutzer kostenlos. Bei Händlern können die Banken kassieren. Den Preis zahlt der Bürger.

Fazit

Medien, darunter der Bayerische Rundfunk und die Zeit, haben die Lage für Bargeld verzerrt dargestellt. Der Faktenfuchs verletzt die selbst auferlegten Standards für Faktenchecks, wie Norbert Häring ausführlich begründet. Österreichs Bundeskanzler hatte aber Zweck und Nutzen seiner Bargeldinitiative unzureichend begründet. Mit einem Verfassungszusatz könnten zukünftige Regierungskoalitionen darauf verpflichtet werden, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, Bargeld in seiner physischen Form zu erhalten.

Es ist richtig, vor einer Bargeldabschaffung und ihren mittelfristigen Folgen zu warnen. Denn die werden schon heute sichtbar. Jedoch sollten niemandem Motive unterstellt werden. Es ist gut, zuerst bei sich selbst anzufangen: Zahle ich alle Einkäufe bar? Mit dieser täglichen Entscheidung lenkt der Bürger das Schicksal des Bargeldes.

Quellen und Anmerkungen

Der Autor hat Quellenangaben und Verweise, soweit es möglich war, direkt als Verlinkungen in seinen Artikel integriert, um eine leichtere Zugänglichkeit von Referenzen und weiterführenden Inhalten zu erzielen. Die nachfolgenden ergänzenden Hinweise sind im Text durch eingeklammerte Ziffern angekündigt worden:

(1) Barton Gellman in »Der dunkle Spiegel«, Frankfurt 2020, Seite 19f.

(2) Siehe Minute 36:30 hier https://www.radioradicale.it/scheda/589746/citta-impresa-2019-festival-40-cosa-chiede-allitalia-il-capitalismo-delle-piattaforme und in der Süddeutschen unter https://www.sueddeutsche.de/politik/draghi-eu-kabinett-recovery-fund-1.5205941

(3) Auch interessant: Benoît Cœuré, damals für Frankreich im Direktorium der EZB, sagte am 18. Mai 2015 auf einer nichtöffentlichen Versammlung vor Investoren in London: »Die Abschaffung des Bargelds ist zwar denkbar, doch sollte ein solcher Schritt das Ergebnis sich ändernder Technologien« sein. Ein gesellschaftlicher Wandel müsse vorausgehen, nicht politische Maßnahmen.

(4) Schon um 2015, 2016 berichteten die Medien über die Diskussion von Ökonomen über eine Bargeldabschaffung: https://www.deutschlandfunk.de/muenzen-und-scheine-in-der-kritik-oekonomen-bargeld-100.html und https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/bargeld-abschaffen-eine-schraege-debatte-muenchau-kolumne-a-1034256.html und https://www.deutschlandfunk.de/muenzen-und-scheine-in-der-kritik-oekonomen-bargeld-100.html

(5) Am Rande: IWF-Ökonom Kirejew schrieb 2017 im Arbeitspapier WP/17/71: »Es scheint, dass einer vom Privatsektor angeführten Bargeldabschaffung der Vorzug zu geben ist gegenüber einer vom öffentlichen Sektor angeführten.« Vergleiche https://norberthaering.de/news/iwf-rat-zur-bargeldabschaffung/

Sollte eine Verlinkung nicht mehr funktionstüchtig sein, können Sie den Link im Wayback-Internetarchiv nachschlagen.

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Bundeskanzler Nehammer: »Bargeld soll in die Verfassung« https://bargeldverbot.info/2023/08/08/nehammer-verfassung/ https://bargeldverbot.info/2023/08/08/nehammer-verfassung/#respond Tue, 08 Aug 2023 16:27:42 +0000 https://bargeldverbot.info/?p=15096 Kategorie: Fachartikel

530.000 Österreicher unterzeichneten ein Volksbegehren gegen Barzahlungsgrenzen. Nun pochte der Regierungschef auf Maßnahmen: Der Bürger brauche eine Grundversorgung mit Bargeld in zumutbarer Entfernung und müsse sich darauf verlassen können, dass Banknoten und Münzen auch in Zukunft vom Einzelhandel angenommen werden.

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Bildlizenz: Foto »Συνάντηση με τον Καγκελάριο της Αυστρίας Karl Nehammer« von ΝΕΑ ΔΗΜΟΚΡΑΤΙΑ / CC BY-NC 2.0 / Foto beschnitten.

Bundeskanzler Nehammer: »Bargeld soll in die Verfassung«

530.000 Österreicher unterzeichneten ein Volksbegehren gegen Barzahlungsgrenzen. Nun pochte der Regierungschef auf Maßnahmen: Der Bürger brauche eine Grundversorgung mit Euro-Bargeld in zumutbarer Entfernung und müsse sich darauf verlassen können, dass Banknoten und Münzen auch in Zukunft vom Einzelhandel angenommen werden. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete prompt, Karl Nehammer habe sich eine rechtsextreme Forderung zu eigen gemacht. Von Hakon von Holst, 08.08.2023.

Der konservative österreichische Regierungschef will Bargeld als Zahlungsmittel in Verfassungsrang erheben. Das geht aus Medienberichten und Pressemeldungen vom 4. August 2023 hervor. Weil die Menschen ein Recht auf Banknoten und Münzen hätten, wären drei Schritte notwendig, heißt es aus dem Bundeskanzleramt:

  1. Die verfassungsrechtliche Absicherung von Bargeld als Zahlungsmittel
  2. Sicherstellen, dass auch weiterhin mit Bargeld bezahlt werden kann
  3. Sicherung einer Grundversorgung mit Bargeld unter Einbindung der Nationalbank

Im September stehe ein runder Tisch mit den zuständigen Ministerien, Branchenvertretern und der Nationalbank an. Ziel sei es, die drei Punkte »bestmöglich, verhältnismäßig und rechtssicher umzusetzen«, so Nehammer.

Sozialdemokraten grundsätzlich offen

Der SPÖ-Klubobmann im Nationalrat Philip Kucher kommentierte: »Auch wenn wir hundert Mal das Wort Bargeld in die Verfassung schreiben, gibt es damit keinen einzigen« Bankomaten zusätzlich in Österreich. Es brauche ein Bargeldversorgungsgesetz, damit jeder Bürger problemlos Geld von seinem Girokonto abheben kann und »überall damit bezahlen darf«.

Mittlerweile habe es in 450 der insgesamt 2100 Gemeinden des Landes entweder keinen Geldautomaten mehr oder die Kommune müsse für ihn finanziell aufkommen. Laut SPÖ erwirtschaftete der heimische Bankensektor im vergangenen Jahr einen Gewinn von 10,2 Milliarden Euro. Die Branche könne daher problemlos verpflichtet werden, in jeder Gemeinde mindestens einen Geldautomaten zu unterhalten. Das dürfe gerne in die Verfassung Eingang finden.

Ein Automat je Kommune? »Durch solche Festlegungen schränkt man auch die Möglichkeiten ein«, findet der ÖVP-Kanzler. Man müsse »Freiraum lassen«.

Regierungschef mangelhaft informiert

Ein Reporter erkundigte sich bei Karl Nehammer, wie er zu Bargeldlimits stehe. Denn geht es nach EU-Parlament und -Kommission, muss der Bürger bald ab bestimmten Schwellen digital bezahlen. Der Kanzler: »Wir haben schon Höchstgrenzen, auch in Österreich – die liegt, glaube ich, bei 10.000 Euro. Ich halte das für eine gute Regelung.«

Tatsächlich greift in der Alpenrepublik kein Verbot für die Barzahlung. Ab 10.000 Euro muss der Händler lediglich seinen Kunden identifizieren (1), und zwar seit Umsetzung der vierten EU-Geldwäscherichtlinie. Dennoch will die EU-Kommission den Bürger zwingen, ab einem Rechnungsbetrag von 10.000 Euro die Dienste einer Bank in Anspruch zu nehmen.

Fehlender Kontext in der Berichterstattung

Die Nachrichtenagentur Reuters meldete am 4. August 2023: »Österreichs Regierungschef stellt sich hinter die rechtsextreme Forderung, Bargeld in der Verfassung zu verankern[.]« Schließlich wäre es die FPÖ gewesen, die sich jahrelang dafür eingesetzt habe. Deren Parteichef Herbert Kickl wirft dem Bundeskanzler auch gleich Ideendiebstahl vor.

Man sollte von Politikern erwarten dürfen, dass sie im Sinne des Bürgers miteinander kooperieren und ihre Befindlichkeiten und Parteiinteressen zurückstellen. 530.000 Bürger unterstützten das Volksbegehren »für uneingeschränkte Bargeldzahlung«. 300.000 Unterschriften von 6,4 Millionen Wahlberechtigten kamen in einer einzigen Septemberwoche zusammen. Das war 2022.

Wenn die Schwelle von 100.000 Unterstützern überschritten wird, muss sich der Nationalrat mit dem Anliegen befassen. 2023 setzte sich die FPÖ im Parlament für eine Volksabstimmung ein. Der Bürger möge darüber befinden, ob die Verfassung ergänzt werden soll: um einen Schutz vor staatlichen Barzahlungsgrenzen, vor Einschränkungen bei der Bargeldannahme im Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie um die Garantie für eine barrierefreie Versorgung mit Banknoten und Münzen.

Die Sozialdemokraten um Kai Jan Krainer im Nationalrat und Manfred Mertel im Bundesrat wollten mit einem gewöhnlichen Gesetz sicherstellen, dass für die Akzeptanz von Bargeld im Einzelhandel und die Verfügbarkeit von Geldscheinen durch Bankautomaten garantiert ist.

Gemeinden in Not

Falls Bundeskanzler Karl Nehammer tatsächlich erwägen sollte, auch den Zugang zu Bargeld durch die Verfassung zu schützen, dann hätte er dabei eher bei der SPÖ als bei der FPÖ abgekupfert. Es war der Sozialdemokrat Andreas Kollross, der in den vergangenen Jahren von sich reden machte, wenn es um hohe Gebühren für die Bargeldauszahlung oder das Sterben der Geldautomaten ging (2).

Ende Juli 2023 berichteten Medien über die Forderung der SPÖ, die Versorgung mit Bargeld sicherzustellen. »Menschen haben ein Recht auf ihr eigenes Bargeld«, sagte Kollross. Für die Gemeinden ist es von Interesse, dass ein Geldautomat im Ort ist. Das soll sogar der lokalen Wirtschaft zugute kommen, wenn man dem Präsidenten des Österreichischen Gemeindebunds Glauben schenkt. Für die Banken aber bedeutet Bargeld Kosten, also wird der Automat abgebaut. Spitzfindige Zahlungsdienstleister treten daraufhin an die Bürgermeister heran und bieten einen Deal an: Bankomat gegen Geld. Die Kommune Kemeten im Burgenland zahlte dafür bislang 3500 Euro im Jahr. In Zukunft soll sie 27.000 überweisen, sonst ist der Automat weg.

In diesem Kontext also steht die Initiative von Karl Nehammer. Der Vollständigkeit halber sei ergänzt: 2019 brachten sowohl SPÖ als auch FPÖ und ÖVP jeweils eigene Anträge in den Nationalrat ein, Bargeld in Verfassungsrang zu heben. Keiner erhielt die erforderliche Mehrheit. Damals ging es weder explizit um die Akzeptanz noch um die Verfügbarkeit von Bargeld. Die FPÖ-Variante lautete: »Die Verwendung von Bargeld unterliegt keinen Einschränkungen.« SPÖ und ÖVP wollten diesen Satz durch Ausnahmen ergänzen.

EU-Länder dürfen Währung schützen

Die Stuttgarter Nachrichten schreiben, der Vorstoß von Karl Nehammer komme überraschend, »denn niemand möchte den Österreichern ihr Bargeld wegnehmen.« Den entscheidenden Zusatz erwähnte die Zeitung nicht: Bargeld als Zahlungsmittel soll von der Verfassung abgesichert werden. Das ist ein Unterschied. Die EU-Kommission drängt die Barzahlung mit verschiedenen Maßnahmen zurück. In größeren Städten in den Niederlanden lehnen bereits sechs Prozent der Einzelhändler Bargeld ab. Es spricht nichts dagegen, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Wenn sich der Bürger an eine bargeldlose Welt gewöhnt, wird es politisch immer schwieriger, das Bargeld zu schützen. Voraussicht ist gut.

Ein EU-Beamter habe den Bundeskanzler über seine nicht vorhandenen Kompetenzen aufgeklärt, schreiben die StN weiter. Die Zuständigkeiten würden in Brüssel liegen. Erst später erfährt der Leser, dass die Mitgliedsstaaten dafür verantwortlich sind, die Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld sicherzustellen, also ein funktionsfähiges Zahlungssystem zu gewährleisten. So steht das auch in der geplanten Bargeld-Verordnung der EU-Kommission.

Während Brüssel seinen digitalen Euro von vornherein mit möglichst universeller Akzeptanz ausstatten will, soll zunächst weiterhin den EU-Ländern überlassen bleiben, inwieweit sie den Schutz der Barzahlung verwirklichen. Das geht aus der Bargeld-Verordnung hervor. So gesehen ist die Initiative von Karl Nehammer richtig. Es wäre jedoch angebracht, dass sich der Bundeskanzler auch auf EU-Ebene dafür einsetzt, dass der digitale Euro nicht gegenüber Bargeld bevorzugt behandelt wird.

Am besten, das Parlament beschließt, nicht nur Akzeptanz und Verfügbarkeit von Banknoten und Münzen sicherzustellen, sondern auch die Regierung durch die Verfassung darauf zu verpflichten, sich auf EU-Ebene zu allen Zeiten für das Bargeld einzusetzen.

Aktiv werden

Wenn Sie etwas für die Zukunft der Barzahlung tun möchten, begleichen Sie Ihre Einkäufe im Alltag mit Banknoten und Münzen, reichen Sie die Visitenkarte von Bargeldverbot.info weiter, um andere Menschen auf die Thematik aufmerksam zu machen, oder unterstützen Sie die Schweizer Volksinitiative »Ich zahle bar«. Neue Informationen zum Thema Bargeld gibt es hier auf dem Blog und bei Dr. Norbert Häring.

Ergänzende Quellenangaben

Der Autor hat Quellenangaben und Verweise, soweit es möglich war, direkt als Verlinkungen in seinen Artikel integriert, um eine leichtere Zugänglichkeit von Referenzen und weiterführenden Inhalten zu erzielen.

Zitat aus dem Titel ist der APA-Meldung entnommen: https://apa.at/news/nehammer-will-bargeld-in-der-verfassung-verankern-3/

(1) Siehe Paragraf 365o Gewerbeordnung und https://www.derstandard.at/story/2000055524621/barzahlungen-ab-10-000-euro-nur-noch-mit-nachweis

(2) Siehe etwa https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/5952772/Automaten-von-Drittanbietern_An-fast-jedem-fuenften-Bankomaten oder https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/I/727/imfname_934534.pdf oder https://www.parlament.gv.at/suche?VTS_01searchType=all&VTS_01searchScope=all&VTS_01search=kollross+bankomat

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Bargeldgrenze ab 200 Euro https://bargeldverbot.info/2023/07/17/bargeldgrenze-200-euro/ https://bargeldverbot.info/2023/07/17/bargeldgrenze-200-euro/#respond Mon, 17 Jul 2023 11:12:38 +0000 https://bargeldverbot.info/?p=14941 Kategorie: Fachartikel | Leicht verständlich

Das EU-Parlament will die Bürger zwingen, ab bestimmten Beträgen digital zu bezahlen. Wer wissen will, wohin die Reise führt, braucht nur nach Griechenland zu sehen.

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Bargeldgrenze ab 200 Euro

Das EU-Parlament will die Bürger zwingen, ab bestimmten Beträgen digital zu bezahlen. Wer wissen will, wohin die Reise führt, braucht nur nach Griechenland zu sehen. Von Hakon von Holst, 17.07.2023.

Athen gibt den Plan auf, Barzahlungen ab 200 Euro zu verbieten. Über das Ansinnen war erstmals im Januar 2023 berichtet worden. Weshalb rudert die Regierung zurück? Sie rechnet mit einer negativen Reaktion von EU-Kommission und Europäischer Zentralbank. Es geht um juristische Erwägungen: Weil der 500-Euro-Schein weiterhin den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels besitzt, sollte ein Bargeldverbot von unter 500 Euro unterbleiben. Andernfalls verlöre die Banknote ihre Zahlungskraft. Eine Entscheidung darüber obliegt jedoch dem Ratsgremium von Europas Notenbank EZB (1). Zudem besitzt nicht jeder Zugang zu einem Girokonto.

Die erste Barzahlungsgrenze wurde in Griechenland 2010 beschlossen. Ab dem 1. Januar 2012 galt durchweg ein Verbot ab 1500 Euro. Mit dem Gesetz vom 22. Dezember 2016 sank das Limit auf 500 Euro. Kein EU-Land kennt strengere Regeln. Eine mittelgroße Hotelrechnung oder ein durchschnittliches Laptop müssen seither rückverfolgbar digital bezahlt werden.

Innenministerin Nancy Faeser befürwortet eine »Bargeldobergrenze von deutlich unter 10.000 Euro«. Das EU-Parlament sprach sich im Frühjahr 2023 für eine Schwelle von 7000 Euro aus. Länder wie Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Kroatien, Slowenien oder Spanien haben ihr Barzahlungsverbot in der Vergangenheit herabgesetzt und nie wieder gelockert. Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnte 2016, es wäre naiv, anzunehmen, dass eine Bargeldobergrenze, einmal eingeführt, nicht schrittweise immer weiter gesenkt würde, zum Beispiel »auf 2000 oder auf 1000 Euro«. Damals wurde die Diskussion um ein Bargeldlimit erstmals in den deutschen Medien geführt.

Andere sprechen von einer Salamitaktik. Deren Prinzip erklärte der spätere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schon 1999: »Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.«

Blick nach Rom

In Europa führend nach Staatsschuldenquote sind Griechenland und Italien. Die gesamte Wirtschaftsleistung beider Länder müsste anderthalb Jahre lang an den Staat fließen, damit er die Forderungen seiner Gläubiger würde begleichen können – ein Ding der Unmöglichkeit. Rom und Athen fallen auch mit den härtesten Anti-Bargeld-Maßnahmen auf (2).

Im Februar 2021 übernahm Mario Draghi das Amt des italienischen Ministerpräsidenten. Zuvor leitete er die Europäische Zentralbank. Zu seinem Digitalisierungsminister machte er einen Parteilosen: Vittorio Colao, ehemals Spitzenverdiener bei Vodafone mit Station bei der Investmentbank Morgan Stanley und der Unternehmensberatung McKinsey. Im Jahr 2020 war Colao Leiter eines Expertengremiums in Büro des Regierungschefs Giuseppe Conte geworden. Als solcher schlug er eine Steuer auf übermäßige Bargeldabhebungen vor. Stellen Sie sich vor, Sie werden bestraft, weil Sie Ihr redlich verdientes Geld vom Girokonto runterholen!

Damit nicht genug: Colaos Gruppe setzte sich außerdem dafür ein, den 200-Euro- und den 500-Euro-Schein aus dem Verkehr zu ziehen (3). Würde die Europäische Zentralbank diese beiden Stückelungen zurückrufen und durch kleinere Banknoten ersetzen, wäre ein Bargeldlimit oberhalb 100 Euro eher denkbar. Für Colao kein Problem. Er sagte öffentlich, dass die Barzahlungsgrenze, wenn es nach ihm ginge, null Euro betragen könne (4). Also ein totales Bargeldverbot.

Wie dem auch sei, Colaos Vorschläge haben sich im Sand verlaufen, die Regierung Draghi ist passé und Bargeld bleibt europaweit das führende Tauschmittel im Einzelhandel. Wenn Sie die Zukunft dieses einzigen freien etablierten Zahlungssystems sichern wollen, greifen Sie an der Kasse stets zu Schein und Münze. Für Sie ist das selbstverständlich? Machen Sie Ihre Mitmenschen auf die Thematik aufmerksam und verteilen Sie die Visitenkarte »Ich bezahle bar«.

Quellen und Anmerkungen

Der Autor hat Quellenangaben und Verweise, soweit es möglich war, direkt als Verlinkungen in seinen Artikel integriert, um eine leichtere Zugänglichkeit von Referenzen und weiterführenden Inhalten zu erzielen. Die nachfolgenden ergänzenden Hinweise sind im Text durch eingeklammerte Ziffern angekündigt worden:

(1) Vergleiche Rede vom damaligen EZB-Direktor Yves Mersch 2018 (Seiten 61 und 62): https://www.bundesbank.de/resource/blob/764592/270cde5b4f22beb2250ed2d0a636f3b0/mL/bargeldsymposium-2018-data.pdf

(2) Italien beschloss 2010, die Bargeldobergrenze auf 5000 Euro zu senken, Griechenland entschied, erstmals ein Limit einzuführen. 2011 verschärfte Rom das Bargeldverbot gleich zweimal. Beide Länder waren zu dieser Zeit wegen ihrer Schulden Thema in den Medien. Im November 2011 bekamen sowohl Italien als auch Griechenland einen neuen Regierungschef: Mario Monti war Goldman-Sachs-Berater gewesen, Loukas Papadimos Vizepräsident der Europäischen Zentralbank und früher nationaler Notenbankgouverneur. Als solcher dürfte er eine Rolle bei der Beschönigung der griechischen Staatsschulden vor dem Euro-Beitritt besessen haben, an der die Investmentbank Goldman Sachs beteiligt war. Ab 2002 zählte Mario Draghi zu deren leitenden Mitarbeitern. Mehr zu griechischen und italienischen Anti-Bargeld-Maßnahmen: https://bargeldverbot.info/2021/11/26/18-eu-laender-bargeldobergrenzen/#Griechenland

(3) Beachte die Seiten 21 und 22 (zur Bargeldsteuer und zu den großen Banknoten): https://cdn.gelestatic.it/repubblica/blogautore/sites/408/2021/02/piano_colao_download_compressed.pdf

(4) Siehe Minute 36:30 hier https://www.radioradicale.it/scheda/589746/citta-impresa-2019-festival-40-cosa-chiede-allitalia-il-capitalismo-delle-piattaforme und in der Süddeutschen unter https://www.sueddeutsche.de/politik/draghi-eu-kabinett-recovery-fund-1.5205941

Sollte eine Verlinkung nicht mehr funktionstüchtig sein, können Sie den Link im Wayback-Internetarchiv nachschlagen.

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Brüssel will Bargeld digitalisieren https://bargeldverbot.info/2023/07/01/e-euro-bargeld-digitalisieren/ https://bargeldverbot.info/2023/07/01/e-euro-bargeld-digitalisieren/#comments Sat, 01 Jul 2023 11:30:15 +0000 https://bargeldverbot.info/?p=14828 Kategorie: Fachartikel

Die EU-Kommission gibt ihre Pläne für den E-Euro bekannt. Auch die Zukunft von Banknoten und Münzen soll gesetzlich geregelt werden. Die Vorschläge sehen düster aus.

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Brüssel will Bargeld digitalisieren

Die EU-Kommission gibt ihre Pläne für den E-Euro bekannt. Auch die Zukunft von Banknoten und Münzen soll gesetzlich geregelt werden. Die Vorschläge sehen düster aus. Von Hakon von Holst, 01.07.2023.

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel sprach von einer weiteren »Stufe der Entwicklung« staatlichen Geldes – »nach Münzen und Banknoten«. Nun ist der Entwurf zu einer Verordnung über den digitalen Euro da. Zeitgleich veröffentlichten mehrere europäische Tageszeitungen am 28. Juni 2023 die Worte von Fabio Panetta, Mitglied im sechsköpfigen Leitungsgremium der Europäischen Zentralbank, und Valdis Dombrovskis, dem Stellvertreter an der Seite Ursula von der Leyens:

»Unsere Welt befindet sich im Wandel. Die Digitalisierung hat unsere Gesellschaft in einer Weise verändert, die wir uns vor zehn Jahren nur schwerlich hätten vorstellen können. Sie verändert auch unser Zahlungsverhalten: Die Menschen entscheiden sich immer häufiger für elektronische Zahlungsmittel. Die Corona-Pandemie hat dieses Umdenken beschleunigt.«

Genau deshalb sei »die Anpassung des Bargelds an das digitale Zeitalter der nächste logische Schritt«. Was die beiden Herrschaften vergessen haben: ihren Anteil daran, dass die Finanzindustrie ihren Einfluss auf dem Zahlungsmarkt ausbauen konnte. Im Frühjahr 2020 lobbyierte das Kreditkartenunternehmen Visa bei Dombrovskis für kontaktlose Zahlungen bis 50 Euro. Der EU-Kommissar unterstützte den Vorschlag und forderte die Bürger öffentlich dazu auf, »Münzen gegen Zahlungskarten zu tauschen«. Die EURO Kartensysteme GmbH, ein Unternehmen der deutschen Banken und Sparkassen, startete parallel eine aggressive Kampagne:

»Wer sich und den Menschen, die an der Kasse arbeiten, einen Gefallen tun möchte, sollte in diesen Tagen eher zur Karte greifen und am besten sogar kontaktlos oder mit dem Smartphone bezahlen.«

Obwohl bei der Europäischen Zentralbank bekannt war, dass die Sorge, man könne am Kontakt mit Banknoten erkranken, unberechtigt ist (1), unterließ es der zuständige Direktor, Fabio Panetta, öffentlichkeitswirksam darüber aufzuklären. Weder brachte er einen eigenständigen Artikel dazu in die Tageszeitungen noch gab seine Institution eine prominente Presseerklärung heraus. Wer außer ihm hätte das tun sollen? Bargeld besitzt keine Lobby. Am 2. Oktober 2020 tischte die Europäische Zentralbank den digitalen Euro auf und verwies auf den deutlichen Rückgang bei Barzahlungen.

E-Euro-Pläne im Detail

Vielleicht versteht man die Haltung der Europäischen Zentralbank besser, wenn man sich die Rede von Benoît Cœuré zu Gemüte führt, damals für Frankreich im Direktorium der EZB. Am 18. Mai 2015 sprach er auf einer nichtöffentlichen Versammlung vor Investoren in London: »Die Abschaffung des Bargelds ist zwar denkbar, doch sollte ein solcher Schritt das Ergebnis sich ändernder Technologien« sein. Ein gesellschaftlicher Wandel müsse vorausgehen, nicht politische Maßnahmen. Genau den unterstützt die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag zur Ausgestaltung des elektronischen Euros.

Um die Digitalwährung zu nutzen, sollen Bankkunden bei ihrem Kreditinstitut um Eröffnung eines separaten, kostenfreien Kontos bitten. Der Vorgang wird zentral erfasst. Auf dem neuen Konto darf der Bürger eine begrenzte Menge E-Euros verwahren. Dazu kann er sich gewöhnliches Bankguthaben ausbezahlen lassen – nicht in Form von Scheinen, sondern digitalen Münzen. Leider darf ein jeder nur eine begrenzte Menge E-Euros besitzen, nach Vorschlag der EZB zunächst 3000 Euro. Während es sich bei Bankguthaben um Geld im Besitz eines Kreditinstituts handelt beziehungsweise um eine Schuld dem Kunden gegenüber und daher bei Bankinsolvenz verloren gehen kann, besteht diese Gefahr für digitale Euros so wenig wie für klassische Geldscheine.

In den Worten von Edward Snowden handelt es sich aber um eine Währung, die »ihren Nutzern das grundlegende Eigentum an ihrem Geld« verweigert. Denn echtes Bargeld unterliegt voll und ganz der eigenen Kontrolle. Ein E-Euro ist kein freies Datenpaket. Niemand kann die digitale Münze nach Gutdünken auf eine andere Festplatte verschieben. Im Auftrag des Staates sollen die Banken ihre elektronische Infrastruktur bereitstellen, damit der Bürger E-Euros senden und empfangen kann. Ohne diese Hilfe ist der Bürger handlungsunfähig. Immerhin besteht der Wille, Zahlungen auch ohne Verbindung zu Internet oder Mobilfunknetz zu ermöglichen. So können sich Freunde untereinander kleine Geldbeträge schicken, indem sie schlicht mit dem Smartphone anstoßen wie andere mit dem Bierglas.

Im Prinzip hält sich die EU-Kommission an den Rat des damaligen Goldman-Sachs-Beraters Willem Buiter. Er hatte 2009 vorgeschlagen, das Bargeld abzuschaffen und dem Bürger zu ermöglichen, bei den traditionellen Kreditinstituten Digitalwährungskonten aufzumachen (2). 2010 wurde Buiter Chefökonom der Megabank Citi. Auf der erwähnten Londoner Veranstaltung 2015 stand er im Mittelpunkt – neben dem einflussreichen Bargeldgegner Kenneth Rogoff.

Brüssel übernimmt auch die Forderung des Bundesverbands deutscher Banken nach einem sogenannten Wasserfall-Mechanismus, bedeutet: Wenn der digitale Geldbeutel mit 3000 Münzen überfüllt ist, schwappen eintreffende Zahlungen direkt aufs Bankkonto über – wie praktisch. Aber auch umgekehrt gilt: Reicht das E-Geld an der Kasse nicht, wird einfach vom normalen Konto abgebucht (7).

Der elektronische Euro soll überall verwendbar sein: für Onlinezahlungen wie für Einkäufe in Geschäften. Im November 2022 hatte Fabio Panetta noch gesagt, es brauche nur ein Smartphone (3), um den E-Euro zu nutzen, inzwischen ist auch von einer Zahlungskarte die Rede. Für den Bürger sollen Geldtransfers kostenlos sein, während Einzelhändler zum Profit der Bankenbranche beitragen müssen, wenn der Kunde in digitalen Euros bezahlt. Auf sie wartet eine Gebühr, einbehalten von Finanzdienstleistern.

Für ein hohes Datenschutzniveau wäre gesorgt in den Schranken der Geldwäschebekämpfung (4). Da niemand sieht, was in seinem Smartphones oder auf den Computern der Banken geschieht, bleibt allerdings Vertrauenssache, zu glauben, nicht vom Geheimdienst beobachtet zu werden. Der frühere Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele sagte, der Staat solle von der Rechtstreue des Menschen ausgehen. Denn damit der Bürger der Politik vertraut, muss der Staat »auch seinen Bürgern vertrauen«.

Gnade mit Banknoten und Münzen

Mit dem ebenfalls am 28. Juni 2023 veröffentlichten Entwurf zu einer Bargeld-Verordnung versucht die EU-Kommission die Rolle von Scheinen und Münzen im Verhältnis zum digitalen Euro zu bestimmen. Der Text schmeichelt damit, ihre Vorzüge als Zahlungsmittel aufzuzählen. Vorgeblich will die EU, wie Panetta und Dombrovskis betonen, »dass Bargeld auch weiterhin in allen 20 Mitgliedsländern verfügbar ist und akzeptiert wird«. Die Verordnung aber ist weder geeignet, dieses Ziel zu erreichen, noch wurde sie darauf ausgelegt. Denn in dem Schwesterpapier zum E-Euro heißt es, dass Brüssel für finanzielle Inklusion sorgen möchte in einer Zeit, in der »Bargeld in einer digitalisierten Wirtschaft immer unbrauchbarer wird« (5). Darum soll der Bürger die elektronische Währung nutzen können, auch ohne ein Konto bei einem Kreditinstitut zu besitzen.

Wenn Brüssel mit der Verordnung sicherstellen will, dass Bargeld in den Geschäften akzeptiertes Zahlungsmittel bleibt, weshalb können dann Banknoten und Münzen unbrauchbar werden? Weil, wie Norbert Häring sagt, nur eine »butterweiche« Annahmeverpflichtung für Bargeld geplant ist. Zwar erweckt die Kommunikation der EU-Kommission den Eindruck, man wollte dem Einzelhandel verbieten, die Barzahlung ex ante, also von vornherein auszuschließen – etwa mit einem Schild an der Ladentür: »No Cash!«

In Wirklichkeit bekommen die Mitgliedsstaaten keine Verpflichtung auferlegt, den Ausschluss unter Strafe zu stellen. Er bleibt von EU-Seite grundsätzlich erlaubt. Die Länder sollen dann durchgreifen, wenn sie der Meinung sind, dass zu viele Geschäfte auf bargeldlos umstellen. Und, wie die EU-Kommission ausführt, würde es in diesem Fall genügen, allein die Händler in überlebenswichtigen Sektoren auf die Akzeptanz zu verpflichten. Das beträfe dann zum Beispiel Supermärkte (8).

Ganz anders behandelt Brüssel seinen E-Euro. Für den ist der Annahmezwang genauestens definiert (10). Deutschland, Österreich und die anderen Länder wären verpflichtet, gegen No-E-Cash-Schilder mit harter Hand vorzugehen. Lediglich Kleinstbetriebe mit weniger als 10 Angestellten oder Geschäfte mit Umsätzen geringer als 2 Millionen Euro pro Jahr blieben verschont, sofern sie generell keine vergleichbaren digitalen Zahlungsmittel akzeptieren.

Politik für die Banken

Setzt die EU-Kommission ihre Pläne in die Tat um, startet ein ungleicher Wettbewerb zwischen E-Euro und Bargeld. Den digitalen Athleten begleiten Posaunen und Trompeten. Banknoten und Münzen drohen marginalisiert zu werden – dank zunehmender Ablehnung durch den Handel (6). Gleichzeitig dünnt das Geldautomatennetz aus, denn auch hier plant Brüssel keine eindeutigen Vorgaben. Unternehmer haben es immer schwerer, Bargeld auf die Bank zu bringen, und Verbraucher müssen schauen, wie sie an Geldscheine kommen. Am Ende stünde das einzige freie etablierte Zahlungssystem am Rande der Gesellschaft und eine Bargeldabschaffung sähe plötzlich demokratisch legitimiert aus.

Dies aber wäre mit das Ergebnis einer bargeldfeindlichen Politik. Schon Mitte der 2000er sagte ein EU-Beamter, man teile die Ziele des Kriegs gegen Bargeld, aber um einen richtigen Krieg zu führen, brauche es eine passende Preissetzung. Darum griff Brüssel regulatorisch ein, auf dass Einzelhändler weniger Gebühren an Zahlungsdienstleister entrichten müssen und somit EC- und Kreditkarten mehr Akzeptanz entgegenbringen. Das Ziel: »weniger Bargeldtransaktionen« und dem Bankwesen »eine Last« abnehmen.

Dabei hat man es nicht belassen können. Mit der Münzgeldprüfverordnung kam für Kreditinstitute die Pflicht, das gesamte bei ihnen eingezahlte Kleingeld, einschließlich der nie gefälschten 1- bis 20-Cent-Münzen, auf Echtheit hin zu untersuchen. Das machte Geldtransporte erforderlich und brachte eine gehörige Kostenlast mit sich. Wie gut, dass die Banken seit Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie in nationales Recht für jede Ein- und Auszahlung Gebühren verlangen dürfen. Angesichts der Tarife ist vielen Händlern die Freude am Kleingeld vergangen.

Voraussetzung für Bargeldabschaffung

Im Rechtsstreit Norbert Häring gegen Hessischer Rundfunk ging es um die Ablehnung der Barzahlung bei hoheitlich auferlegten Geldleistungspflichten. Darf der Staat das gesetzliche Zahlungsmittel ablehnen? Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs sah nur in Sachen finanzielle Inklusion einen unmittelbaren Bezug zu unseren Grundrechten (9). Fast jeder kann mit Bargeld umgehen und es ist kostenlos. Zu einem Bankkonto besitzen weiterhin 13 Millionen Erwachsene in der EU keinen Zugang. Besteht der Einzelhandel auf Kartenzahlung, müssten diese Menschen schauen, wie sie sich etwas zum Essen kaufen. Das stärkt die Bedeutung von Bargeld, doch mit dem digitalen Euro bekäme jeder die Möglichkeit, elektronisch zu bezahlen.

Die nächste Hürde für Bargeldabschaffer sind Eigentums- und Vertragsfreiheit. Das Geld auf den Girokonten ist eine Schuld der Bank uns gegenüber. Würde die EZB kein Bargeld mehr drucken, sodass die Kreditinstitute unsere Einlagen nicht ausbezahlen könnten, müssten wir das Vertragsverhältnis mit der Bank samt der vereinbarten Gebühren aufrechterhalten, um unser insolvenzgefährdetes Geld auf dem Konto nicht zu verlieren. Sobald aber die Möglichkeit bestünde, Guthaben vollständig in digitale Euros umzuwandeln, erscheint es denkbar, dass die Europäische Zentralbank die Ausgabe von Geldscheinen einstellt (11).

Weil ein E-Euro währungstechnisch gesehen in die Funktion von Banknoten und Münzen schlüpft, schwindet die Bedeutung von Bargeld für die Notenbanker in Frankfurt. Vor allem dann, wenn immer mehr Menschen von der Digitalwährung Gebrauch machen. Hat die EZB als Anwältin der Barzahlung ihre Arbeit in den letzten Jahren schlecht gemacht, könnte ihr diese Aufgabe in der Zukunft völlig aus dem Blick geraten.

Resümee

Ein E-Euro ist inakzeptabel, solange nicht für die Akzeptanz und Verfügbarkeit von Banknoten und Münzen in den EU-Verträgen garantiert wird. Brüssel hat bereits Probleme damit, die Barzahlung in einer gewöhnlichen Verordnung wirksam zu schützen. Auf die Politik ist kein Verlass, doch wir können unseren Willen deutlich machen, indem wir jeden Einkauf bar bezahlen. Das wird statistisch erfasst. Mit der Visitenkarte »Ich bezahle bar!«, die Sie kostenfrei bekommen, können Sie andere Menschen auf die Bedeutung von Bargeld aufmerksam machen, denn – wie auf der Rückseite in den Worten Reinhard Meys geschrieben steht –: »Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt.«

Quellen und Anmerkungen

Lesen Sie auch die Analyse von Norbert Häring zum Verordnungsentwurf über den digitalen Euro: https://norberthaering.de/bargeld-widerstand/verordnung-eeuro/

(1) https://www.ecb.europa.eu/press/blog/date/2020/html/ecb.blog200428~328d7ca065.de.html und https://web.archive.org/web/20200604105941mp_/https://www.ecb.europa.eu/press/blog/date/2020/html/ecb.blog200428~328d7ca065.en.html

(2) »Were fiat currency to be abolished, the loss of any retail transactions benefits could be compensated for by offering free accounts with the Central Bank to all legal residents. These accounts could be administered through commercial banks, post offices and other retail facilities. These accounts, being registered instruments, could, of course, pay a positive, zero or negative rate of interest, as required.« https://willembuiter.com/threewaysfinal.pdf

(3) Siehe gegen 10:37 Uhr in der Aufzeichnung: https://webcast.ec.europa.eu/towards-a-legislative-framework-enabling-a-digital-euro-for-citizens-and-for-businesses

(4) Vergleiche auch die Äußerungen von Fabio Panetta vergangenen November. Ebenda gegen 10:37 Uhr brachte er eine Anonymitätsgrenze von 50 Euro ins Spiel. Finanzminister Lindner bewertete das gegen 11:00 Uhr als »sehr restriktiv«: »Und ich frage mich, ob die Menschen das so schlucken würden. […]. Wir sollten wirklich einen digitalen Euro einführen, der auch auf Akzeptanz stößt bei den Menschen, nicht nur in der Politik.«

(5) »In terms of social impact, the digital euro would improve financial inclusion by ensuring access to the digital euro payment services to unbanked people in a context where cash becomes less and less useable in a digitalised economy.« Entnommen aus dem Verordnungsentwurf zum digitalen Euro, 28. Juni 2023: https://finance.ec.europa.eu/system/files/2023-06/230628-proposal-digital-euro-regulation_en.pdf

(6) Auch in einem Fachmedium der EU-Kommission schreiben Ökonomen, eine Digitalwährung könne aufgrund von Netzwerkeffekten den Rückgang von Bargeld bewirken. Quarterly Report on the Euro Area (QREA), Vol. 20, No. 3 (2021), Seite 40: https://economy-finance.ec.europa.eu/document/download/d42d56ac-11cd-408e-8058-9639334234aa_en?filename=ip167_en.pdf

(7) Man beachte auch die Beraterliste der Europäischen Zentralbank beim Projekt „Digitaler Euro“ – die Finanzbranche ist reichlich vertreten: https://norberthaering.de/geldsystem/ezb-berater-cbdc-digitaler-euro/ und https://bargeldverbot.info/2021/11/04/ezb-privatbanken-beraten/#nach-vorstellung-banken

(8) Man beachte die Betonung auf »verhältnismäßige Maßnahmen« in dem Papier zur geplanten Bargeldverordnung: »If a Member State concludes that ex ante unilateral exclusions of cash undermine the mandatory acceptance of payments in euro banknotes and coins in all or part of its territory, that Member State should take effective and proportionate measures to remedy the situation, such as a prohibition or restrictions on ex ante unilateral exclusions of cash in all or parts of its territory, for example in rural areas, or in certain sectors which are deemed essential such as post offices, supermarkets, pharmacies or healthcare, or for certain types of payments which are deemed essential.«

(9) »Der Generalanwalt stellt ferner fest, dass die Union zwar nicht in allen Fällen ein absolutes Recht auf Barzahlung vorsehe, doch könne der dem Bargeld zuerkannte Wert, gesetzliches Zahlungsmittel zu sein, eine unmittelbare Verbindung zur Ausübung von Grundrechten in den Fällen haben, in denen die Verwendung von Bargeld ein Element sozialer Eingliederung sei.« https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=231781&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=474011

(10) Während in der Bargeldverordnung Artikel 5 Nummer 1 Buchstabe b die Annahmepflicht aufhebt in dem Fall, dass sich Käufer und Verkäufer vorab auf ein anderes Zahlungsmittel geeinigt haben – wobei das Betreten eines Geschäfts, das auf die Nichtannahme schon an der Tür hinweist, als Einigung betrachtet werden kann –, wird derselbe Passus in Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe d E-Euro-Verordnung durch Artikel 10 ergänzt, der den Ausschluss der Barzahlung durch Schild an der Ladentür verbietet.

(11) So könnte die Ausgabe von Geldscheinen eingestellt werden, als ob die bestehende Banknotenserie durch eine neue ersetzt würde – mit dem Unterschied, dass die neue Serie rein digital ist. Übrigens forderte der damalige Chef der Deutschen Bank, John Cryan, schon am 20. Januar 2016 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, Bargeld »sollte entmaterialisiert werden«. An der Diskussionsrunde nahm auch Christine Lagarde teil, die Cryans Prognose, Bargeld würde es in 10 Jahren wahrscheinlich nicht mehr geben, unterstützte. An demselben 20. Januar kündigte die Zentralbank von China die Ausgabe eines digitalen Yuans an. Ein paar Wochen später sagte der Zentralbankgouverneur im Interview, das Hauptziel dahinter wäre, das Bargeld zu ersetzen.

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https://bargeldverbot.info/2023/07/01/e-euro-bargeld-digitalisieren/feed/ 1
So gespalten steht die Europäische Zentralbank zum Bargeld https://bargeldverbot.info/2023/05/18/ezb-gespalten-bargeld/ https://bargeldverbot.info/2023/05/18/ezb-gespalten-bargeld/#comments Thu, 18 May 2023 11:15:04 +0000 https://bargeldverbot.info/?p=14484 Kategorie: Fachartikel

»Bargeld bleibt«, versprechen die Währungshüter in Frankfurt. Der digitale Euro solle eine Ergänzung zu Banknoten und Münzen werden. Doch eine Recherche zeigt: Gegenüber der Chefetage von Europas Notenbank ist Misstrauen angezeigt.

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Christine Lagarde am 2. Dezember 2019. Bildlizenz: Referenz EP-096739A, Fotograf: Dominique HOMMEL, Copyright: European Union 2019 / Europäisches Parlament. Bild beschnitten, vollständiges Foto hier.

So gespalten steht die Europäische Zentralbank zum Bargeld

»Bargeld bleibt«, versprechen die Währungshüter in Frankfurt. Der digitale Euro solle eine Ergänzung zu Banknoten und Münzen werden. Doch eine Recherche zeigt: Gegenüber der Chefetage von Europas Notenbank ist Misstrauen angezeigt. Von Hakon von Holst, 18.05.2023.

Christine Lagarde übernahm am 1. November 2019 die Leitung der Europäischen Zentralbank. Die Entscheidung trafen die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder zwei Wochen zuvor. Doch bereits am 4. September 2019 hatte Lagarde vor einem Ausschuss des EU-Parlaments offenkundig gemacht, wie viel ihr am Bargeld liegt: herzlich wenig.

Zu diesem Zeitpunkt war Lagarde noch Chefin des Internationalen Währungsfonds. Ihr damaliger Mitarbeiter Aleksej Kirejew veröffentlichte 2017 eine Anleitung, wie die Politik das Bargeld abschaffen könnte, ohne allzu viel Widerstand aus der Bevölkerung zu erhalten. Für den CSU-Abgeordneten Markus Ferber Grund genug, im Ausschuss für Wirtschaft und Währung bei Lagarde nachzuhaken:

»Ich habe mit großem Interesse Studien des Internationalen Währungsfonds gelesen, die in Ihrer Amtszeit entstanden sind, zum Beispiel dass Bargeld abgeschafft werden sollte, dass Negativzinsen auf Buchgeld eingeführt werden sollte, also auch auf Girokonten von privaten Verbrauchern, […] oder [dass] Helikoptergeld eine Option wäre. Ich wollte mal konkret nachfragen, welche von diesen Optionen haben Sie im Hinterkopf, wenn Sie sagen, man muss auch mit neuen, mit innovativen Instrumenten arbeiten […]?«

Lagarde antwortete Ferber mit einem Blick zurück auf die große Finanzkrise Ende der 2000er:

»Wissen Sie, ich glaube, 2008 […] hätten nur wenige Menschen mit der Art von Instrumenten gerechnet, die von den verschiedenen Zentralbanken auf der ganzen Welt eingesetzt wurden […]. Wenn wir jetzt nach vorne schauen, müssen wir genau das tun, was damals getan wurde […].«

Der Tagesschau-Korrespondent Klaus-Rainer Jackisch kommentierte die Worte von Christine Lagarde:

»Helikopter-Geld? Warum nicht. Wieso sollte man nicht ein paar Milliarden Euro unters Volk bringen, damit dort kräftig konsumiert wird. Bargeld abschaffen? Auch das ist denkbar, wenn’s hilft.«

Dass die neue Präsidentin der Europäischen Zentralbank kein Interesse am Bargeld besitzt, zeigte sich gleich zu Beginn der Coronakrise. Die Geschäftsbanken nutzten die Gelegenheit, die Nachricht über ein vermeintliches Bargeld-Infektionsrisiko in der Bevölkerung zu verbreiten und die passende Lösung anzubieten: »Mit Karte, bitte!« Die völlig unbegründete Sorge wurde von der Deutschen Bundesbank auf einer Pressekonferenz am 17. März 2020 zerstreut. Auch die Europäische Zentralbank war sich der Fakten bewusst. Doch zu keinem Zeitpunkt haben sich die Währungshüter öffentlichkeitswirksam darum bemüht, der Verleumdungskampagne der Finanzbranche Einhalt zu gebieten. Wer, wenn nicht Europas Notenbank, hätte dies tun können und müssen?

Stattdessen veröffentlichte die Europäische Zentralbank am 2. Oktober 2020 eine Pressemitteilung, um bekannt zu geben, dass die Arbeit am elektronischen Euro intensiviert würde. Darin heißt es, dass unter anderem »ein deutlicher Rückgang der Verwendung von Bargeld als Zahlungsmittel« die Einführung einer Digitalwährung erforderlich machen könnte. Dass die Währungshüter für diese Entwicklung mitverantwortlich sind, wurde ebenso wenig thematisiert wie die Möglichkeiten, die ergriffen werden könnten, um die Verdrängung des Bargelds zu unterbinden.

Lagarde sieht in einer anonymen Währung einen »Glücksfall für Kriminelle«. Auch deshalb soll der E-Euro keine immaterielle Münze sein, verwahrt auf Ihrer Computerfestplatte, sondern ähnlich dem Bankguthaben eine Summe, über die Sie so lange verfügen können, wie es Technik, Staat und Zentralbank erlauben. Der digitale Euro ist ein gewaltiger Konkurrent für das Bargeld, explizit dazu bestimmt, in möglichst jedem Laden an der Kasse Akzeptanz zu finden. Um ihn nutzen zu können, werden Sie »nur« ein Smartphone brauchen. Doch Sie müssen ihn nutzen, wenn immer mehr Händler dem Beispiel der deutschen Elektronikkette Gravis folgen, Bargeld in allen Filialen abzulehnen.

Die Lösung ist einfach: Wir Bürger besinnen uns darauf, welchen Nutzen das einzige etablierte freie Zahlungsmittel spendet – uns persönlich und der ganzen Gesellschaft. Sie gehören vielleicht zu denjenigen, die bereits konsequent jeden Einkauf bar bezahlen. Machen Sie auch Ihre Freunde auf die neue siebentägige Bargeld-Challenge aufmerksam. Diese kleine Mitmachaktion bringt selbst eingefleischte Kartenzahler dazu, neu über das Bargeld nachzudenken.

Bargeld-Challenge

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Mit dem digitalen Euro in die Überwachungsunion https://bargeldverbot.info/2023/05/09/e-euro-ueberwachungsunion/ https://bargeldverbot.info/2023/05/09/e-euro-ueberwachungsunion/#comments Tue, 09 May 2023 16:54:20 +0000 https://bargeldverbot.info/?p=14375 Kategorie: Fachartikel

Auf EU-Ebene laufen die Vorbereitungen zur Einführung eines elektronischen staatlichen Zahlungsmittels. Der E-Euro soll das Bargeld nicht ersetzen, sondern ergänzen, betont die Politik. Doch spätestens der jüngste Auftritt von Fabio Panetta in Brüssel zeigt: Das ist eine Schönfärbung.

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ECON Committee - Exchange of views with Fabio Panetta, Member of the Executive Board of the European Central Bank. Referenz: EP-149209A. Fotograf: Alain ROLLAND. © European Union 2023 - Source : EP.

Fabio Panetta am 24. April 2023 in Brüssel. Bildlizenz: Referenz EP-149209A, Fotograf: Alain ROLLAND, Copyright: European Union 2023 / Europäisches Parlament. Vollständiges Foto hier.

Mit dem digitalen Euro in die Überwachungsunion

Auf EU-Ebene laufen die Vorbereitungen zur Einführung eines elektronischen staatlichen Zahlungsmittels. Der E-Euro soll das Bargeld nicht ersetzen, sondern ergänzen, betont die Politik. Doch spätestens der jüngste Auftritt von Fabio Panetta in Brüssel zeigt: Das ist eine Schönfärbung. Von Hakon von Holst, 09.05.2023.

Er gehört seit dreieinhalb Jahren dem sechsköpfigen Führungsgremium der Europäischen Zentralbank an: Fabio Panetta, der zuständige Direktor für digitale Geldströme, aber auch Hüter des Bargelds, dem bislang einzigen staatlichen Zahlungssystem. Die meisten Einkäufe in der EU werden nach wie vor mit Banknoten und Münzen bezahlt. Zunehmend jedoch bestehen Einzelhändler auf der Kartenzahlung: in größeren Städten der Niederlande bereits in jedem sechzehnten Geschäft. Anfang des Jahres hat eine deutsche Elektronikkette das Bargeld verbannt, aus 40 Läden bundesweit.

Vonseiten der Europäischen Zentralbank bleibt es ruhig. Scheinbar werden die Entwicklungen hingenommen wie das Natürlichste von der Welt. Das stimmt nur zur Hälfte, denn nach dem Willen der Ökonomen in Frankfurt soll das Verschwinden von Bargeld durch den digitalen Euro Ausgleich finden. Am 24. April 2023 trat Fabio Panetta vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des EU-Parlaments auf, um eine Lanze für den E-Euro zu brechen. Es wäre »für alle Nutzer vorteilhafter und bequemer, wenn Händler, die digitale Zahlungen akzeptieren, auch den digitalen Euro« annehmen müssten, sagte Panetta. Das zu beschließen, liegt in der Hand der Abgeordneten.

Auf den ersten Blick will die Europäische Zentralbank also, dass der Handel in Zukunft wenigstens ein staatliches Zahlungsmittel akzeptiert: gedruckte Euros oder elektronische Euros. Doch was folgt aus der Einführung der Digitalwährung für das Bargeld?

  • Die Anstrengungen der Zentralbanker verlagern sich dahin, dem digitalen Euro zum Erfolg zu verhelfen – Bargeld ist nur mehr ein Nebenschauplatz. Das ist insoweit bedeutsam, als dass Bargeld praktisch keine Lobby besitzt. Dagegen verfügt die Finanzindustrie über ein immenses Werbebudget, um dem Bürger die Kartenzahlung schmackhaft zu machen. Das geht so weit, dass Unternehmen wie Mastercard Geldscheinen das Image eines bakterienverseuchten Gegenstands verpassen.
  • Die moralischen Hürden für den Handel sinken, das Bargeld abzuschaffen. Denn laut Europäischer Zentralbank sollte jeder Bürger den E-Euro nutzen können. Ließe sich das umsetzen, wäre kein Personenkreis mehr von der Teilnahme am Einkaufsleben ausgeschlossen, wo an jeder Ladentür steht: »Wir akzeptieren kein Bargeld.«
  • Kontoguthaben sind eine Schuld der Bank ihren Kunden gegenüber. Wenn es den digitalen Euro gibt, könnten sich Banken ihrer Schuld auch über die Auszahlung von elektronischen Euros entledigen. Womöglich hätten es die Bankhäuser dann leichter, sich in die digitale Welt zu verabschieden. Schon heute verschwinden massenhaft Geldautomaten und Bankfilialen.

Sind der Europäischen Zentralbank diese Risiken nicht bekannt? Aber sicher doch, es wird lediglich kaum darüber gesprochen. Ökonomen müssen grundsätzlich kalkulieren, welche Folgen eine geldpolitische Entscheidung besitzt. In einem Fachmedium der EU-Kommission schreiben Wirtschaftswissenschaftler, eine Digitalwährung könne aufgrund von Netzwerkeffekten den Rückgang von Bargeld bewirken (1). Fabio Panetta zeigt nur auf die andere Seite und merkt in den Fußnoten zu seiner Rede vom 24. April 2023 an, dass es positive Netzwerkeffekte besäße, wenn Händler den digitalen Euro akzeptieren müssten. Denn »je mehr Menschen ein bestimmtes Zahlungssystem verwenden, desto sinnvoller und praktischer wird es für alle Nutzer.«

Die Europäische Zentralbank will also dafür sorgen, dass viele Menschen vom elektronischen Euro Gebrauch machen – Banknoten und Münzen geraten dabei in die Defensive. Je weniger Bargeld in den Kassen des Einzelhandels landet, desto schneller verläuft die Bargeldabschaffung in Läden und Geschäften. Den Unternehmen wird das Bargeld dann auch schlicht zu teuer. Die steuerlichen Vorschriften für Barumsätze werden immer strenger, während mehr und mehr Möglichkeiten verschwinden, Wechselgeld zu besorgen oder Münzen einzuzahlen. Geldtransporte oder Fahrten auf die Bank kosten auch etwas.

Eigentlich hätten uns die Ökonomen über die Konsequenzen möglicher Entscheidungen genau zu informieren. Denn in einer Demokratie müsste der Bürger das Ziel vorgeben. Die Europäische Zentralbank hätte demnach eher die Aufgabe, danach zu sehen, dass der Weg nicht allzu steinig wird. Wie soll der Bürger einschätzen, ob der digitale Euro in geplanter Form mit seinen Werten vereinbar ist, wenn die Sachkundigen in der Politik nicht offen über seine Folgen sprechen?

Womöglich haben Sie nie davon gehört, dass Fabio Panetta am 7. November 2022 in Brüssel sagte (2):

  • dass Sie eine App auf dem Smartphone haben werden, wenn Sie mit dem digitalen Euro einkaufen gehen möchten;
  • dass die Höchstgrenze für anonyme Einkäufe mit dem E-Euro bei gerade einmal 50 Euro liegen könnte.

Finanzminister Christian Lindner ist Zeuge. Er war an diesem Tag vor Ort und machte sich auf Twitter für »digitales Bargeld« stark. In Wirklichkeit ist der E-Euro aber keine digitale Entsprechung von Banknoten und Münzen. Bargeld kann jeder Mensch in den eigenen Händen halten. E-Euros befinden sich jedoch nicht auf der eigenen Computerfestplatte, sondern zentral verwaltet auf Servern der Europäischen Zentralbank. Wenn die Technik streikt oder der Staat Ihr Verhalten sanktionieren möchte, können Sie weder bezahlen noch Geld empfangen. Sie sind ausgeliefert.

Aber Sie können auch Teil der Lösung sein und schon ab morgen jeden Einkauf bar bezahlen. Damit schaffen Sie dem Bargeld eine Zukunft. Sprechen Sie mit Ihren Mitmenschen darüber, welche Bedeutung das einzige freie etablierte Zahlungssystem besitzt und wovon es bedroht ist. Nutzen Sie dazu die Informationen, die ich für Sie auf meinen Kanälen bei Telegram und Twitter sammele, oder besuchen Sie die Blogs von Norbert Häring und Bargeldverbot.info.

Anmerkungen

Der Autor hat Quellenangaben und Verweise, soweit es möglich war, direkt als Verlinkungen in seinen Artikel integriert, um eine leichtere Zugänglichkeit von Referenzen und weiterführenden Inhalten zu erzielen. Die nachfolgenden ergänzenden Hinweise sind im Text durch eingeklammerte Ziffern angekündigt worden:

(1) Quarterly Report on the Euro Area (QREA), Vol. 20, No. 3 (2021), Seite 40: https://economy-finance.ec.europa.eu/document/download/d42d56ac-11cd-408e-8058-9639334234aa_en?filename=ip167_en.pdf
(2) Siehe in der Videoaufzeichnung gegen 10:36 Uhr. Eine interessante Reaktion Lindners auf den 50-Euro-Vorschlag ist gegen 11:00 Uhr zu sehen: https://webcast.ec.europa.eu/towards-a-legislative-framework-enabling-a-digital-euro-for-citizens-and-for-businesses

Sollte eine Verlinkung nicht mehr funktionstüchtig sein, können Sie den Link im Wayback-Internetarchiv nachschlagen.

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Demokratie braucht Bargeld https://bargeldverbot.info/2023/03/22/demokratie-braucht-bargeld/ https://bargeldverbot.info/2023/03/22/demokratie-braucht-bargeld/#respond Wed, 22 Mar 2023 10:00:34 +0000 https://bargeldverbot.info/?p=13895 Kategorie: Fachartikel | Leicht verständlich

Ein freier Bürger benötigt ein freies, nicht überwachungsfähiges Zahlungsmittel – trotzdem unterstützt ein Bundesministerium das Ende der Barzahlung.

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Demokratie braucht Bargeld

Banknoten und Münzen haben im digitalen Zeitalter keinen Platz, lautet ein gern geteiltes Resümee – denn die Barzahlung verschwindet weltweit. Doch viele junge Menschen begeistern sich plötzlich für das Bargeld. Auch Edward Snowden und Julian Assange denken anders. Ihre Enthüllungen haben das öffentliche Bewusstsein verändert. Und das ist auch dem Bargeld zu verdanken. Dennoch fördern Deutschland und die Schweiz den Übergang in eine bargeldlose Welt des Bezahlens. Von Hakon von Holst, 22.03.2023.

„Digitale Zahlungen bieten erhebliche Vorteile“, wirbt ein Bündnis aus Regierungen, Großunternehmen und internationalen Organisationen. Sein Name ist Better Than Cash Alliance, zu Deutsch: Besser-als-Bargeld-Allianz. Gegründet von sieben Institutionen im Jahr 2012, darunter eine Behörde des US-Außenministeriums, die Großbank Citi und der Kreditkartenanbieter Visa (1). Die Mission: elektronische Zahlungen fördern, vor allem in Afrika und Asien. Hat das vielleicht einen geopolitischen Aspekt?

In vielen Ländern ist es üblich, eine Gehaltszahlung auf die Hand zu bekommen. Manchmal besitzt nur die Minderheit ein Konto; Bargeld ist Zahlungsmittel Nummer eins. Das zu ändern, könnte für die USA einen Vorteil bedeuten: Wir reden zwar über die Dritte Welt, aber US-amerikanische Banken und Zahlungsdienstleister mischen genau dort mit. Denn wer finanzkräftig ist, hat auf dem Markt gute Chancen. Bekanntlich profitieren die Kreditinstitute, wenn das Geld bei ihnen ist. Und es bleibt davon mehr auf den Konten, je geringer die Bedeutung von Bargeld als Zahlungsmittel ist. Geld unter dem Kopfkissen ist für die Banken ein verlorenes Geschäft. Bei alledem darf man nicht vergessen: Geld gibt Macht.

Handelt es sich also um eine Verschwörung gegen Banknoten und Münzen? Das Bündnis hat eine Antwort: „Wir wollen das Bargeld nicht abschaffen, sondern dafür sorgen, dass die Menschen die Wahl haben, wie sie Zahlungen tätigen und empfangen.“ Bar, mit Karte oder per Überweisung? Die Bevölkerung soll also wählen – so direkt wie bei einer Volksabstimmung in der Schweiz. Demnach hat es der Bürger in der Hand, welches Zahlungsmittel sich auf dem Markt durchsetzt. Klingt demokratisch, oder?

Als Sponsoren führt die Besser-als-Bargeld-Allianz neben dem Kapitalentwicklungsfonds der Vereinten Nationen, der Mastercard-Stiftung und der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung die USA, Schweden und – wer hätte das gedacht? – auch die Schweiz und Deutschland. Die Bundesregierung überwies in den Jahren 2016–2022 insgesamt 1,3 Millionen Euro (2). Ein Grund, genauer hinzusehen, woran sich der Steuerzahler beteiligt. Wie steht es mit dem Vorwurf, dass die Allianz das Bargeld als Zahlungsmittel in Wahrheit vom Markt drängen will?

Auf Nachfrage heißt es aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die Besser-als-Bargeld-Allianz sei eine Partnerschaft, „die den Übergang von Bargeld zu digitalen Zahlungen unterstützt“. Sie habe das Ziel, „mehr Wahlfreiheit bei der Durchführung und dem Erhalt von Zahlungen anzubieten“. Die beiden Aussagen scheinen nicht zueinanderzupassen. Worin besteht denn die Wahlfreiheit, wenn der Übergang in die digitale Bezahlwelt vollzogen ist?

Die erwähnte Behörde des US-Außenministeriums, USAID, ist nicht nur Sponsor und Mitgründer der Besser-als-Bargeld-Allianz, nein, sie hat auch Catalyst ins Leben gerufen. Auftrag dieser Initiative ist es, in den Worten von USAID, in Indien „alltägliche Einkäufe bargeldlos zu machen“. Es dreht sich um die Zahlungsgewohnheiten von 1,4 Milliarden Menschen (3).

Catalyst bietet auf seiner Internetseite einen „Handlungsleitfaden für kleine Unternehmen, bargeldlos zu werden“, und äußert sich an anderer Stelle in überheblichem Ton über Barzahler: In der Millionenstadt Jaipur habe man es mit den „üblichen Herausforderungen im Verhalten“ der Bevölkerung zu tun, zum Beispiel mit der „mangelnden Bereitschaft der Verbraucher, digital zu bezahlen“. Es geht also nicht um Wahlfreiheit, sondern darum, Bargeld als Zahlungsmittel in den Läden zu beseitigen. Und siehe da: Die Initiative listet das Besser-als-Bargeld-Bündnis zurückblickend als einen ihrer maßgeblichen Kompetenzpartner (4).

„Ich möchte, dass unsere Gesellschaft eine Gesellschaft ohne Bargeld wird“, sagte Premierminister Narendra Modi 2017 – keine zwei Jahre nach Beitritt zur Better Than Cash Alliance. Läge der Allianz an der Wahlfreiheit, hätte sie die Zusammenarbeit mit der indischen Führung auf Eis gelegt. Es wird deutlich: Der Bürger braucht keine Wahl zu haben zwischen Bargeld und elektronischen Zahlungsmitteln. Die Vielfalt soll sich auf eine Monokultur aus verschiedenen Kreditkarten, Bezahl-Apps und anderen digitalen Angeboten beschränken. Auch 2023 fließen wieder 200.000 Euro aus der deutschen Staatskasse an die Besser-als-Bargeld-Allianz (5).

Ziviler Ungehorsam und Pressefreiheit

Die erste Handelskette in der Bundesrepublik lehnt Bargeld ab – seit dem 16. Januar 2023. Die großen Medien berichteten am selben Tag (6). In der Schweiz könnten Banknoten und Münzen bald Eingang in die Verfassung finden. Wenn das klappt, muss der Staat auch in ferner Zukunft Bargeld in Umlauf bringen, auf dass ein jeder bar zahlen kann, der bar zahlen will. Die Schweizer Stimmbevölkerung hat nun das Wort, nachdem 137.000 beglaubigte Unterschriften für das Ansinnen zusammengekommen sind. Die Nachrichtenagenturen Reuters und Bloomberg berichteten im Februar 2023, Medien von Kanada bis Indien griffen das Thema auf – in der deutschen Presse kein Satz. Hat das Bargeld etwa keine grundlegende Bedeutung für eine Demokratie?

2019 ist eine Stadt auf den Beinen: Demonstrationen in Hongkong. Eine Menschenmasse in der Metro wartet vor den Fahrscheinautomaten. Chipkarten bleiben daheim; Bargeld ist wieder König. Man ist froh, dass hier noch Wahlfreiheit besteht: Die Angst vor China sitzt in den Knochen. Und die Polizei könnte Ticketbuchungen zu Ermittlungszwecken verwenden.

Proteste gegen die Regierungspolitik gehören bei einer Demokratie dazu. Aber wo die Regierung vollautomatisch erfährt, wer gegen ihre Arbeit auf die Straße geht, da ist die innere Hürde größer, die Demonstrationsfreiheit zu nutzen. Im Falle Hongkongs sprachen Medien wie CNN von einer Demokratiebewegung. Aber auch die Pressefreiheit findet im Bargeld einen Stützpfeiler. Ihm ist mit zu verdanken, dass uns gute Informationen erreichen:

„WikiLeaks: Schlecht für die Demokratie?“, fragt CNN im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016. Der Moderator spricht von „illegalen Hacks“, betont dabei die moralische Verwerflichkeit (7). WikiLeaks hatte mehrfach zur Innenwelt der Demokratischen Partei publiziert. Die bekannt gewordenen Informationen liefen der Vorstellung von demokratischen Verhältnissen zuwider:

Michael Froman, damals in führender Position bei der Großbank Citi, schrieb zum Beispiel eine Nachricht an John Podesta, und zwar mit geschäftlicher E-Mail-Adresse. Beigefügt drei Listen: „Dies sind die Namen, die bisher von verschiedenen Quellen für hochrangige Positionen empfohlen wurden.“ Das war im Oktober 2008. Einen Monat später folgten die Präsidentschaftswahlen und Podesta übernahm nach dem Sieg Obamas in dessen Team die Aufgabe, Kandidaten für Regierungsposten zu suchen. O Überraschung, als die neue US-Administration angetreten war, spiegelte die Auswahl von Michael Froman in vielen Punkten die Realität wider.

Solch ein Blick hinter die Kulissen gibt einem Gelegenheit, die eigenen Vorstellungen von der Realität zu korrigieren und neu darüber nachzudenken, worauf es ankommt, wenn ein gutes Miteinander wirklich gelingen soll. Ist das nicht wichtig für eine Demokratie?

WikiLeaks ist in hohem Maße auf Spenden angewiesen. Im Dezember 2010 stoppten nacheinander PayPal, Mastercard, Visa und die Bank of America alle Zahlungen an WikiLeaks (8). Ende 2012 resümierte die Organisation: „In den letzten zwei Jahren hat die Blockade 95 Prozent der Zuwendungen an WikiLeaks zum Erliegen gebracht und die Liquiditätsreserven von mehr als einer Million Dollar im Jahr 2010 auf weniger als tausend Dollar im Dezember 2012 schrumpfen lassen.“

Bargeldspenden im Briefumschlag waren alles andere als die Haupteinnahmequelle (9). Und dennoch tun Banknoten und Münzen das Ihre dazu, dass eine gesellschaftskritische Publikation wie WikiLeaks bestehen kann. In der Landwirtschaft profitiert eine Mischkultur von der Symbiose, während die Monokultur den Boden auszehrt: So trägt auch eine Vielfalt funktionierender Zahlungssysteme zu einem besseren Geldsystem bei. Bargeld zum Beispiel reguliert die Bankenbranche. Denn die muss sich in gewisser Weise um ihre Kunden bemühen, sonst räumt der Bürger sein Konto.

Und dann gibt es die Kryptowährungen. Seit ihrem Aufkommen nutzt WikiLeaks auch diesen Zahlungskanal. Chinas Zentralbankchef, Zhou Xiaochuan, sagte 2016, der staatliche digitale Yuan diene dem Ziel, das Bargeld zu ersetzen. Bei der Bekämpfung von Bitcoin & Co. greift das Land zu immer drastischeren Mitteln. Müssen wir vielleicht damit rechnen, dass uns auch im Westen jedes freie Zahlungssystem genommen wird, wenn Banknoten und Münzen erst einmal Geschichte sind? Nichts ist einfacher, als im Alltag bar zu bezahlen. So kann jeder dazu beitragen, dass eine Vielfalt bestehen bleibt. Der WikiLeaks-Gründer hat das ebenfalls getan. Und ihm ist mit zu verdanken, dass Edward Snowden dem sicheren Gefängnis entronnen ist:

Gemeinsam mit Sarah Harrison und vielen anderen Menschen verhalf Julian Assange dem NSA-Whistleblower zur Flucht aus Hongkong (10). Snowden hatte sich dort mit Journalisten getroffen, bevor Glenn Greenwald am 5. Juni 2013 die Bombe platzen ließ: Der erste Zeitungsbericht über das Ausmaß der digitalen Überwachung erschien.

Die Flucht nahm ihren Anfang schon auf Hawaii. Die Insel Oahu war für Snowden Lebens- und Arbeitsort. Und hier traf er die Vorbereitungen: Er räumte seine Bankkonten ab, „steckte Bargeld in eine alte stählerne Munitionskiste“, damit seine Lebensgefährtin es finden und die Regierung es nicht beschlagnahmen würde können (11). Später, schreibt Snowden, „fuhr ich zum Flughafen und kaufte ein Ticket für den nächsten Flug nach Tokio, das ich bar bezahlte. In Tokio kaufte ich ein weiteres Ticket, das ich ebenfalls bar bezahlte, und traf am 20. Mai (2013) in Hongkong ein, der Stadt, in der die Welt mir zum ersten Mal begegnen würde“ (12).

Als sich unzählige Pressevertreter vor Snowdens Hotel mengten, schleuste ihn der Menschenrechtsanwalt Robert Tibbo durch einen Seitenausgang hinaus. Von da an kümmerte sich eine warmherzige Flüchtlingsfamilie darum, dass der Whistleblower alles hatte, was er zum Leben benötigte. Sein Versteck galt als das bestgehütete Geheimnis von Hongkong. Weil seine Gastgeber nichts von ihm annehmen wollten, deponierte Snowden vor dem Abschied heimlich etwas Bargeld in ihrer Wohnung (13).

Erosion der Menschlichkeit

Es zeigt sich: Banknoten und Münzen tragen zu etwas Sinnvollem bei. Sie helfen uns, wenn der Staat die Grenzen überschreitet. Doch Bargeld kann ebenso gut bei kriminellen Plänen eine Rolle spielen. Auch darum gehöre es abgeschafft, meinte der damalige Chef der Deutschen Bank, John Cryan, auf dem Weltwirtschaftsforum 2016. Unbeachtet bleibt: Wer Schaden anrichten will, der findet einen Weg – so oder so. Solange die Wurzel des Problems Nahrung besitzt, stellt sich keine Verbesserung ein. Und, wer weiß, vielleicht bekäme sie mit der Bargeldabschaffung eine Düngung.

Das werden wir gleich überprüfen. Nehmen wir zuerst ein Ideal für Demokratie zu Hilfe: Jeder denkt über gesellschaftliche Fragen nach, jeder kann ein Anliegen zur Debatte stellen – am Entscheidungsprozess nehmen alle teil. Jedoch findet die Entscheidungsbefugnis der Gemeinschaft ihre Schranken dort, wo die Freiheiten des individuellen Menschen tangiert sind und wo die Lebensgrundlagen infrage stehen. Falls wir uns solch eine Gesellschaft wünschen, sollten wir die Frage stellen: Wohin führt es, wenn sich ein Mensch daran gewöhnt, dass in sein Leben eingegriffen, dass er bevormundet, überwacht, kontrolliert, eingeschränkt und unterdrückt wird?

Unter diesen Umständen nimmt sich der Bürger eher als Objekt oder als Erfüllungsgehilfe fremder Absichten wahr. Und kaum hat er dieses Menschenbild akzeptiert, behandelt er auch seine Mitmenschen in entsprechender Weise. Weshalb sollte ein Bürger in dieser Situation noch Wertschätzung für Demokratie empfinden, für die Meinung des anderen? Woher sollte er das Interesse nehmen, Ideen zu entwickeln und sich einzubringen?

Anders kommt es, wenn man dem Menschen Liebe entgegenbringt, wenn man ihn ermutigt, sich zu entfalten. Dann nämlich entdeckt er sich als Gestalter des Lebens. Und wann immer er eine Hürde überwindet, stehen ihm Freude und Glück ins Gesicht geschrieben. Bei kleinen Kindern kann man das oft beobachten. Das Beste ist: Wenn solch hohe Emotionen in einem Menschen wohnen, dann ist da auch der Wunsch, dass es den Mitmenschen ebenso gut gehen möge. Darum sollte eine Demokratie die Freiheiten des Individuums garantieren und die Bedingungen dafür verbessern, dass sich starke Persönlichkeiten entwickeln können. Der umgekehrte Weg führt in einen Teufelskreis – die Demokratie schafft sich dann Scheibe für Scheibe selbst ab.

Edward Snowden warnt uns vor der totalen Überwachung, vor der Erosion der Bürgerrechte. Er für seinen Teil hat die Konsequenzen gezogen: Zum Beispiel zahlt Snowden im Alltag bar – heute in Russland, damals in Amerika (14). Was geschieht bei uns?

Die ersten Bäckereien lehnen Bargeld ab (15); auch Cafés und Restaurants verabschieden sich aus der analogen Welt (16). Die Kundschaft hatte immer öfter zur Karte gegriffen. Wenn der Trend anhält, wird es den Geschäften zu teuer, die Kasse abzurechnen und Geld auf die Bank zu transportieren. Derweil sieht jeder dritte Bundesbürger häufig oder gelegentlich Schwierigkeiten, Bargeld abzuheben. In der Schweiz könnte innerhalb von fünf Jahren die Hälfte der Bankautomaten verschwinden (17). Gleichzeitig entfallen auch Möglichkeiten, Scheine und Münzen einzuzahlen. Nicht wenige Unternehmen wollen darauf früher oder später „mit einer Reduktion der Bargeldnutzung reagieren“.

„Schwedens Bahn akzeptiert jetzt in die Hand implantierte Chips als Ticket“, hieß es in der Berliner Morgenpost 2017. Auch aus der Schweiz kommen moderne Ideen: Die Großbank Credit Suisse hat das digitale Sparschwein entwickelt. Zusammen mit einer Debitkarte soll es Kinder ab sieben Jahren „auf die bargeldlose Welt vorbereiten“, so Watson. Immerhin, das Schwein kann noch Münzen schlucken. Seinen Bauch öffnet es aber erst, wenn Papa oder Mama auf dem Smartphone Freigabe erteilt haben. So wird der Bürger von klein auf daran gewöhnt: Ob ich kaufen oder verkaufen kann, entscheide nicht ich, sondern die Technik, die Bank und der Staat.

Ein Verbraucher gibt mit Karte 25 Prozent mehr Geld aus in einer Pizzeria, wirbt Kreditkartenanbieter Visa. In einem familienfreundlichen Restaurant sogar 40 Prozent. Natürlich richten sich diese Worte weniger an die Allgemeinheit als an Unternehmer. Dass digitale Zahlungsmittel den Konsum begünstigen, legen verschiedene Studien nahe (18), aber auch die Beobachtungen in der Bäcker– oder Gastrobranche bestätigen es. Wenn die Wirtschaft den Kunden leichter verführen kann, ist das kein Gewinn: weder für die Umwelt noch für die Gesellschaft.

Zwei Wege und eine Wahl

Geld ist eng mit Überleben verknüpft. Man bekommt alles Mögliche, solange man zahlen kann: Nahrung oder ein Dach über dem Kopf. Mangelt es bei den Einkünften, ist das Unbehagen groß. In einer Langzeituntersuchung stellten Forscher fest, dass in einer Gruppe schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen doppelt so häufig auftraten. Was verband diese Menschen miteinander? Sie alle hatten zuvor Einkommenseinbußen erlitten. Als Ursache zogen die Wissenschaftler Stress im Zusammenhang mit finanziellen Sorgen in Erwägung.

Unter psychischer Belastung kann man oft wenig konfrontieren. In der Ruhe fällt es leichter, seinem Gegenüber zuzuhören, eine andere Meinung zu durchdenken und tiefsinnig über das Leben zu reflektieren. Für eine Demokratie wäre das sehr wichtig. Was vermag das Bargeld dazu beizutragen?

Mit Banknoten und Münzen halten wir unsere finanziellen Möglichkeiten in den eigenen Händen. Das schenkt uns das Gefühl von Unabhängigkeit, Sicherheit und Beweglichkeit. Einer Bankkarte sieht man nicht an, ob das Geld noch da ist. Wenn wir uns an der Ladenkasse unwiederbringlich von einem Geldschein trennen, bleibt das in Erinnerung. So geht ins Gespür über, wie viel wir uns leisten können. Der unbequeme Weg zum Bankautomat gibt einem Luft, eine Investition zu überdenken.

Wir erleben eine neue Bewegung: In kurzen Filmaufnahmen erklären junge Menschen, wie sie ihre Finanzen unter Kontrolle bringen. Alle Ausgaben werden budgetiert. Am Monatsanfang wird das Einkommen aufgeteilt. Für jeden Bereich liegt ein Bargeldumschlag bereit: Kleidung, Nahrung, Fortbildung, Rücklagen … Alles läuft streng nach dem Grundsatz: erst sparen, dann kaufen, und zwar bar. Das Stichwort Umschlagmethode verzeichnet auf der Videoplattform TikTok 225 Millionen Aufrufe. Inzwischen berichten die großen Medien.

Der Geldumgangstrainer Hansjörg Stützle sagt: „Bargeld ist der Schlüssel für Menschen, die in finanziellen Schwierigkeiten sind – und es ist der Schlüssel, nicht in Schwierigkeiten zu kommen.“ Er spricht aus Erfahrung, ist es doch einst sein Beruf gewesen, Unternehmen und Privatpersonen aus der Geldnot herauszuhelfen. Mit der einwöchigen Bargeld-Challenge wagt Hansjörg Stützle ein Experiment. Er will die Sinnhaftigkeit von Banknoten und Münzen für jedermann erlebbar machen. Die Premiere mit 400 Teilnehmern im Januar 2023 war ein Erfolg: Viele entwickelten eine nachhaltige Begeisterung für Bargeld. Und genau das braucht es, damit das einzige etablierte freie Zahlungsmittel dauerhaft bestehen kann.

Ein guter Überblick und die Kontrolle über die eigene Haushaltslage verschaffen Gewissheit und Ruhe. Die Ausgaben sinken und man kommt aus dem Hamsterrad heraus. Es ist wieder möglich, klare Gedanken zu fassen und darüber nachzudenken, was einem wirklich wichtig ist im Leben. Wenn das emotionale Niveau steigt, tauchen mehr Ideen auf. Wir finden einen Weg, wie das Geld unseren Zielen und Visionen dienen kann.

Wer Banknoten in Briefumschlägen angespart hat, geht mit anderer Einstellung einkaufen. Das Gefühl, knausern zu müssen, weicht einer Fülle. Unseren Werten kommt das entgegen: Viele Menschen lehnen zum Beispiel die Massentierhaltung ab, ohne die Konsequenzen daraus zu ziehen. Nun jedoch stehen sie vor dem Regal und entscheiden sich für bessere Lebensmittel. Sie nehmen einen höheren Preis in Kauf, aber sparen bei Fertiggerichten und Süßigkeiten. Davon profitiert die Gesundheit und das Selbstwertgefühl. Wünschenswerte Veränderungen in der Landwirtschaft rücken näher oder werden überhaupt erst möglich.

Auf höherem emotionalen Niveau spürt der Mensch den Wunsch, dass es auch dem Gegenüber gutgeht. Und so wird er im Austausch mit seinen Mitmenschen öfter ein Trinkgeld geben, mit jovialer Geste Banknoten und Münzen überreichen und für die guten Waren danken. Bargeld schenkt plötzlich Freude und gewinnt an Popularität.

Die nächste Abstimmung ist an der Ladenkasse. Für uns und unsere Kinder: Wollen wir die digitale Kontrolle oder eine freie Gesellschaft? Wir haben die Wahl.

Ergänzende Quellenangaben
Der Autor hat Quellenangaben und Verweise, soweit es möglich war, direkt als Verlinkungen in seinen Artikel integriert, um eine leichtere Zugänglichkeit von Referenzen und weiterführenden Inhalten zu erzielen. Die nachfolgenden ergänzenden Hinweise sind im Text durch eingeklammerte Ziffern angekündigt worden:

(1): Siehe https://web.archive.org/web/20221001203323/https://blog.usaid.gov/2012/09/announcing-the-better-than-cash-alliance/ und https://web.archive.org/web/20220801095045/https://www.citi.com/citi/citiforcities/urban_exchange/n_citi_helps_launch_better_than_cash_alliance.htm

(2) Errechnet aus Drucksache 19/25976 in Verbindung mit Drucksache 19/5242 und einer Auskunft des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gegenüber dem Autor.

(3) In einem Dokument von Google und The Boston Consulting Group aus 2016 wird das Potenzial von Indien als digitaler Zahlungsmarkt ein 500-Milliarden-Goldtopf genannt. Die Autoren bedanken sich unter anderem bei einem Verantwortlichen von Visa. Siehe: https://web.archive.org/web/20230303091617/https://web-assets.bcg.com/img-src/BCG-Google%20Digital%20Payments%202020-July%202016_tcm9-39221.pdf

https://norberthaering.de/en/war-on-cash/malick-demonetisation-india/?lang=en

(4) Mehr noch: Die Better Than Cash Alliance organisierte im Monat der Gründung von Catalyst, also im Oktober 2016, eine Konferenz, um die Initiative vorzustellen, Quelle: https://m.rediff.com/business/report/digital-payments-have-become-a-fashion-statement-demonetisation-cashless-catalyst/20170117.htm

(5) Auskunft des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gegenüber dem Autor.

(6) Siehe https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/digitec/technikhaendler-gravis-nimmt-kein-bargeld-mehr-an-18606350.html

https://www.bild.de/geld/wirtschaft/wirtschaft/gravis-erster-technik-haendler-nimmt-kein-bargeld-mehr-82571340.bild.html

https://www.spiegel.de/netzwelt/web/gravis-alle-40-filialen-nehmen-ab-sofort-kein-bargeld-mehr-an-a-7b8dadeb-3f74-4e97-9e78-42a19c021d35

(7) Zitat aus dem Video: „So what is the future of such illicit hacks to our democrazy, our privacy and the electoral system?“ Zum Verhältnis zwischen CNN und Julian Assange siehe auch: https://www.nachdenkseiten.de/?p=53579

(8) Bemerkung am Rande: Die vier genannten Finanzunternehmen stehen auch mit dem Ruf nach der Beseitigung des Bargelds als Zahlungsmittel in Verbindung: https://bargeldverbot.info/2022/07/07/staatsfeind-nummer-eins/ https://bargeldverbot.info/2022/03/22/bankenkrieg-bargeld/#Bank-of-America

(9) Vergleiche https://web.archive.org/web/20101103010914/http://www.wikileaks.org/media/support.html mit https://web.archive.org/web/20150204205307/http://wikileaks.org/IMG/pdf/WikiLeaks-Banking-Blockade-Information-Pack.pdf

(10) Siehe Edward Snowden: Permanent Record. Meine Geschichte. S. Fischer, Frankfurt am Main 2019, Seite 379.

(11) Ebenda, Seite 357.

(12) Ebenda, Seite 361.

(13) Ebenda, Seite 375.

(14) Ebenda, Seite 243.

(15) Siehe etwa https://www.merkur.de/bayern/nuernberg/bargeld-nuernberg-brot-baeckerei-der-beck-kunden-zahlung-karte-baecker-ohne-91572249.html oder https://bargeldverbot.info/2022/02/10/baeckerpreise-steigen/#Bargeld-abschaffen-Baecker

(16) Siehe zum Beispiel: https://web.archive.org/web/20230208134044/https://benrahim.de/blogs/news/in-diesem-restaurant-ist-bargeld-tabu

https://t3n.de/news/endlich-bargeldlos-restaurant-1230760/

https://www.augsburger-allgemeine.de/neu-ulm/Ulm-Als-erstes-Caf-in-Ulm-Caf-Einstein-schafft-Bargeld-ab-id58075616.html

https://norberthaering.de/news/kein-bargeld-muenchen/

https://www.augsburger-allgemeine.de/wirtschaft/bei-diesen-haendlern-kann-nur-noch-mit-karte-bezahlt-werden-id65368576.html

https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/neuer-trend-in-berlin-wir-akzeptieren-kein-bargeld-li.318957

(17) Six betreibt rund 6000 der fast 7000 Automaten in der Schweiz und in Liechtenstein: https://www.netzwoche.ch/news/2022-02-07/die-zukunft-der-bargeldversorgung-in-der-schweiz

(18) Vergleiche Studien und Fachartikel: https://www.apa.org/pubs/journals/releases/xap143213.pdf

https://link.springer.com/article/10.1023/A:1008196717017

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1567422315000149

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0148296316000242

https://link.springer.com/article/10.1007/s11408-016-0272-x

Sollte eine Verlinkung nicht mehr funktionstüchtig sein, können Sie den Link im Wayback-Internetarchiv nachschlagen.

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»We agree with the war on cash […].« Das regierende Organ der Europäischen Union hat sich in den Dienst der Banken gestellt. Das bestätigen nicht allein seine Worte, sondern auch eine Reihe erstaunlicher Maßnahmen. Die EU-Kommission arbeitet offenbar seit Jahren an der schrittweisen Ablösung des Bargelds. Am Ende der Entwicklung droht der Zusammenbruch des Barzahlungsverkehrs mit dramatischen Folgen für die Bürgerrechte.

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Die EU-Kommission im Krieg gegen das Bargeld

»We agree with the war on cash […]«: Das regierende Organ der Europäischen Union hat sich in den Dienst der Banken gestellt. Das bestätigen nicht allein seine Worte, sondern auch eine Reihe erstaunlicher Maßnahmen. Die EU-Kommission arbeitet offenbar seit Jahren an der schrittweisen Ablösung des Bargelds. Am Ende der Entwicklung droht der Zusammenbruch des Barzahlungsverkehrs mit dramatischen Folgen für die Bürgerrechte. Von Hakon von Holst, 26.09.2022.

Visa und Mastercard blasen zum Krieg gegen das Bargeld – die EU-Kommission zieht mit

Die Publikation »European Card Review« war eine Branchenzeitschrift des Bankensektors. In der März-April-Ausgabe des Jahres 2006 schrieb Jane Adams, dass die Zahlungskartenindustrie viele Jahre das Ideal einer bargeldlosen Gesellschaft propagiert hat. Es sei ihr bisher nicht gelungen, dieses Ziel zu erreichen, jedoch habe sie viel Erfolg bei der Verwirklichung einer Weniger-Bargeld-Gesellschaft gehabt. Mastercard behaupte, dass es den »Krieg gegen das Bargeld mit der nächsten Generation Bankkartenlösungen« führe. Und Konkurrent Visa glaube, dass er im Krieg gegen das Bargeld erfolgreich sei.

Wie Autorin Jane Adams berichtete, hatte David Deacon auf einer Konferenz des Kreditkartenriesen Mastercard einen Auftritt. Er war Abteilungsleiter innerhalb der »Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen« der EU-Kommission. Adams dokumentierte seine bemerkenswerten Worte:

»Wir teilen die Ziele des Kriegs gegen das Bargeld, [aber] um einen richtigen Krieg gegen das Bargeld zu führen, braucht man eine passende Preissetzung.«

Als David Deacons obersten Chef hätte man damals Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy bezeichnen können. Dieser hatte am 13. November 2006 die Gelegenheit, auf dem SEPA-Kongress in Frankfurt vor versammelten Vertretern der Finanzindustrie zu sprechen. Die Veranstaltung wurde von der Europäischen Zentralbank gesponsert – anlässlich der 9. Euro Finance Week, einem bedeutenden Treffen der Finanz- und Versicherungsindustrie. McCreevy sagte dort:

{

»Wir können die Verbraucher auch dazu ermutigen, effizientere elektronische Zahlungsmittel zu nutzen. Dadurch können die Kosten für Bargeld und Schecks gesenkt werden – eine Last, die oft vom Bankwesen getragen wird.«

Charlie McCreevy, Finanzminister von Irland (1997–2004), EU-Kommissar für Binnenmarkt (2004–2010)

Charlie McCreevy auf den Spring Meetings des IWFs am 24. April 2004 (Bildlizenz: Foto des International Monetary Fund / Public Domain).

Sicherlich leiden die armen Banken unter der Last des Bargelds. Sie müssen ertragen, dass ihre Gläubiger Geld abheben. Ihre Gläubiger sind die Nutzer der Girokonten. Menschen wie Sie und ich, die der Bank Geld leihen und im Gegenzug die Möglichkeit haben, Überweisungen vorzunehmen. Aber die beklagenswürdigen Banken müssen zusehen, wie sich die Leute Monat für Monat einen Teil ihres Arbeitsentgelts auszahlen lassen, um alltägliche Einkäufe damit zu begleichen. Gerne hätten sie an jedem Austausch zwischen Verkäufer und Ladenkunde mitverdient.

Wenn der Bürger nicht die Macke hätte, Bargeld zu verwenden, weil es so ein transparentes und griffiges Zahlungsmittel ist, das einen nicht zu sehr dazu verleitet, mehr auszugeben, als man sich leisten kann, und das einen auch nicht auf Schritt und Tritt überwacht – ja, dann müsste man den Kunden auch nicht am Schalter empfangen oder einen Automat aufstellen. Zeit ist Geld und Bankomaten sind teuer. Für den EU-Kommissar ein großes Problem – die Belange des Bürgers gleichgültig.

Mit dieser Politik machte sich McCreevy bei den Banken beliebt. Kein Wunder, dass seine erste berufliche Anlaufstation nach Ende der Amtszeit die amerikanische Investmentbank BNY Mellon war.

EU-Kommission senkt die Preise für Kartenzahlungen

EU-Kommissions-Mitarbeiter David Deacon sprach auf dem Mastercard-Kongress von der Notwendigkeit einer passenden Preissetzung, um einen richtigen Krieg gegen das Bargeld zu führen. Eine Kartenzahlung sollte also den Ladenkunden wie auch den Einzelhändler nicht allzu viel kosten. Andernfalls entsteht auf Unternehmerseite nicht die Bereitschaft, Karten zu akzeptieren, und Konsumenten greifen lieber zu Bargeld.

Eine Konsequenz daraus war für die EU-Kommission, die multilateralen Interbankenentgelte des Mastercard-Systems zu verbieten. Dabei handelte es sich um eine branchenweit einheitliche Gebühr für die Zahlung mit Kreditkarte an der Ladenkasse. Sie musste vom Einzelhändler getragen werden. Diese Einheitlichkeit soll verhindert haben, dass sich die Banken gegenseitig mehr Konkurrenz um das preiswerteste Angebot für Geschäftskunden machen konnten – weniger Wettbewerb, höhere Preise. Und weil hohe Gebühren den Unternehmern die Akzeptanz der Kreditkarte verübelt, hat die ausführende Gewalt der Europäischen Union eingegriffen.

Am 19. Dezember 2007 veröffentlichte die EU-Kommission ein Informationsblatt zu ihrer Entscheidung. Das Factsheet MEMO/07/590 enthielt Antworten auf häufig gestellte Fragen, darunter eine erstaunliche Aussage:

{

»Kann Europa den ›Krieg gegen das Bargeld‹ ohne multilaterale Interbankenentgelte gewinnen? Ja. Die inländischen Kartensysteme in Europa haben Bargeld und Schecks als Zahlungsmittel sehr erfolgreich ersetzt, obwohl sie ohne ein multilaterales Interbankenentgelt [MIF] funktionieren. Die Kartennutzung pro Kopf ist in Europa in Ländern wie Norwegen, Finnland, Dänemark oder den Niederlanden am höchsten, in denen Mastercard kaum vertreten ist und in denen die inländischen Systeme ohne ein MIF oder einen MIF-ähnlichen Kostenbeitragsmechanismus […] funktionieren. Diese Länder waren auch die ersten, die die Verwendung von Schecks […] abgeschafft haben.«

Mit dieser Information wendete sich die EU-Kommission am 19. Dezember 2007 an die Presse

Das Berlaymont-Gebäude, Sitz der EU-Kommission in Brüssel (Bildlizenz: Pixabay).

Es folgte ein mehrjähriger Rechtsstreit mit Mastercard, aus dem die EU-Kommission 2014 als Siegerin hervorging. Im selben Jahr verpflichtete sie Visa zur Einhaltung von Zusagen in Bezug auf den Umgang mit den Interbankenentgelten. In einer Erklärung diesbezüglich vom 26. Februar 2014 schrieb die Kommission Folgendes:
{

»Die Erfahrung (zum Beispiel in Australien und Spanien) zeigt, dass die Senkung überhöhter Interbankenentgelte […] die Akzeptanz von Karten durch Händler fördert und zu einem Anstieg der Kartentransaktionen und höheren Einnahmen für die Banken führen kann. Sie führt auch zu weniger Bargeldtransaktionen, die für die Banken mit erheblichen Kosten verbunden sind. Und eine stärkere Kartennutzung hat für die Banken viele weitere Vorteile, auch ohne die Einnahmen durch multilaterale Interbankenentgelte.«

Die EU-Kommission in einer Presseerklärung vom 26. Februar 2014

Das Berlaymont-Gebäude, Sitz der EU-Kommission in Brüssel (Bildlizenz: Pixabay).

Ziel der Regulationen der Kommission ist also die verstärkte Nutzung der Karte, nicht allein, um den Kreditinstituten Kosten im Umgang mit dem Bargeld zu ersparen, sondern um der Förderung vieler weiterer Geschäftsinteressen der Banken dienlich zu sein.

Mit der Interbankenentgeltverordnung vom 29. April 2015 drosselte die Europäische Union die vom Händler zu tragende Gebühr auf ein Maximum von 0,2 Prozent des Einkaufsbetrags bei EC-Karten-Zahlungen und 0,3 Prozent bei Kreditkarten. In der Begründung des Rechtsakts heißt es, dass Verbraucher die Möglichkeit haben sollten, »Zahlungskarten so oft wie möglich zu verwenden«. Weiter bringt die EU-Kommission zum Ausdruck, dass ihr an Karten und anderen elektronischen Zahlungsmitteln mehr liegt als am Bargeld. Sie ließen sich vielseitiger – wie z.B. online – nutzen. Kartengebundene Zahlungsvorgänge anstelle von Bargeldzahlungen könnten daher Vorteile für Händler und Verbraucher bringen, heißt es in der Verordnung.

Aufgrund der deutlichen Gebührensenkung haben viele Unternehmer die Regeln geändert: Nur noch selten informiert jetzt ein Schild an der Ladenkasse darüber, dass die Kartenzahlung erst ab einem Einkaufswert von fünfzehn oder zwanzig Euro akzeptiert wird.

Bargeld wird künstlich verteuert

Dank der Münzgeldprüfverordnung aus dem Jahr 2010 muss eine Bank seit dem 1. Januar 2015 jede bei ihr eingezahlte Münze auf ihre Echtheit hin untersuchen. So ein Münzprüfgerät kann eine unglaubliche Summe Geld kosten. Nicht jede Filiale kann damit ausgestattet werden. Also müssen Geldtransporte durchgeführt werden. Im Ergebnis sind satte Gebühren für die Einzahlung von Geldstücken eingeführt worden.

Seit Ablauf der Übergangszeit Ende des Jahres 2014 müssen alle Münzen, also auch die kleinen 1- bis 20-Cent-Stücke, geprüft werden. Das ist Kleingeld, dessen Fälschung sich nicht lohnt. Und dennoch besteht die Vorschrift. Ein Onlinemagazin schildert den Fall eines Mannes, der 210,05 Euro in einem Sparschwein oder einer Spardose sammelte. Als er diese Summe einzahlen ging, sind ihm nur 182,57 Euro gutgeschrieben worden. Die Differenz entsprach der neuen Gebühr, eingeführt wegen den Kosten für die Überprüfung der Münzen. Auch Einzelhändler bekommen das zu spüren; ich hoffe, das ihnen durch diesen Wahnsinn nicht das Interesse daran vergeht, Bargeld als Zahlungsmittel zu akzeptieren.

Von einem, der zahlen muss, um sein Geld zurückzuerhalten

»Einlagen sind gesetzliche Schulden, die eine Bank ihren Kunden schuldet – da sollte ein Kreditgeber nicht noch einen Aufschlag für das Eintreiben von Schulden zahlen müssen.« Tuomas Välimäki, Zentralbank von Finnland

In Deutschland war es einmal so, dass die Banken monatlich eine begrenzte Zahl Ein- und Auszahlungen auf ein Girokonto nicht mit Gebühr belasten durften. Wie soll es auch anders sein? Schließlich sind wir doch auf Augenhöhe mit den Banken – oder vielleicht nicht? Wir geben der Bank einen Kredit, unser eingelegtes Bargeld – das ist die Einzahlung –, oder wir holen uns das Geld zurück – lassen es uns auszahlen. Das war auch das Leitbild des Gesetzgebers in Deutschland.

Aber die EU hat diesen Vorgang im Jahr 2009 als einen gnädigen Dienst der Bank definiert. So kann eine Bank seit Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie Gebühren für jede Ein- und Auszahlung verlangen, entschied der Bundesgerichtshof (Urteil vom 18. Juni 2019, XI ZR 768/17, beachten Sie die Absätze 30–31 im Urteilstext).

Günther Oettinger und das Ende des Bargelds

Anfang 2016 war das Thema Bargeld auf einmal in den Medien: die Einführung eines europaweiten Bargeldverbots ab einem Rechnungsbetrag von 5000 Euro sowie die Abschaffung des 500-Euro-Scheins wurde diskutiert. Yves Mersch, Direktor der Europäischen Zentralbank, warnte plötzlich vor einflussreichen Bargeld-Gegnern in Politik und Finanzindustrie. Und Deutschlands EU-Kommissar Günther Oettinger hielt eine Rede bei einer Veranstaltung des Beratungsunternehmens Deloitte in Stuttgart. Dort sagte er:

{

»Bargeld stirbt aus: Wir werden mit der Apple-Watch bezahlen, mit dem Smartphone bezahlen.«

Günther Oettinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg (2005–2010), EU-Kommissar (2010–2019), auf einer Veranstaltung von Deloitte 2016 (dpa-Meldung)

Hier spricht Günther Oettinger auf dem Weltwirtschaftsforum am 25. Januar 2013 (Bildlizenz: »Powering Future Growth: Guenther H. Oettinger« von World Economic Forum und swiss-image.ch/Photo Moritz Hager / CC BY-NC-SA 2.0 / for non-commercial, non-promotional use, which includes fair use and fair dealing / Foto beschnitten).

Weiter zitierte ihn die Deutsche Presse-Agentur in der indirekten Rede:

{

»Deutsche seien in Sachen Bezahlungsart zwar ›etwas konservativer‹ als Finnen oder Dänen. Bundesbürger hätten in der Vergangenheit noch lange am Scheck festgehalten, als anderswo die EC-Karte längst Usus gewesen sei. Das Ende der Barzahlungen und die Verlagerung der Transaktionen komplett ins Digitale würden aber kommen, sagte Oettinger.«

Günther Oettinger

Hier spricht Günther Oettinger auf dem Weltwirtschaftsforum am 25. Januar 2013 (Bildlizenz: »Powering Future Growth: Guenther H. Oettinger« von World Economic Forum und swiss-image.ch/Photo Moritz Hager / CC BY-NC-SA 2.0 / for non-commercial, non-promotional use, which includes fair use and fair dealing / Foto beschnitten).

Bargeld ist das einzige freie Zahlungsmittel von allgemeiner Akzeptanz. Es hat keinerlei Lobby und keinerlei Werbebudget. Seine Gegner finden sich in der Innen- und Außenpolitik, in der Währungs- und Finanzpolitik sowie in der Bankenbranche. Die EU-Kommission hat Bargeld künstlich verteuert und dafür gesorgt, dass es die Finanzindustrie leichter hat, Banknoten und Münzen den Rang abzulaufen. Die Belange des Bürgers spielen die untergeordnete Rolle und die Ablösung des Bargeldes durch elektronische Zahlungsmittel wird durch bankenfreundliche Regulationen und Wegschauen gezielt forciert. Und so kommt es, dass der Digitalkommissar im Jahr 2016 lapidar vermelden kann:
{

»Mein Rat ist: Schafft den 500-Euro-Schein nicht ab, haltet am Bargeld fest – der Markt macht es.«

Günther Oettinger

Hier spricht Günther Oettinger auf dem Weltwirtschaftsforum am 25. Januar 2013 (Bildlizenz: »Powering Future Growth: Guenther H. Oettinger« von World Economic Forum und swiss-image.ch/Photo Moritz Hager / CC BY-NC-SA 2.0 / for non-commercial, non-promotional use, which includes fair use and fair dealing / Foto beschnitten).

Nach Ende seiner Amtszeit nahm Günther Oettinger verschiedenste Tätigkeiten an, unter anderem als Beirat bei Deloitte – einem Unternehmen, das auch Aufträge der EU-Kommission angenommen hat – und als Beiratsvorsitzender bei der Privatbank »Donner & Reuschel«.

Der Zusammenbruch des Barzahlungsverkehrs

Kommissar Charlie McCreevy bewarb einst die Kartenzahlung, weil sich das Bargeld nicht gut in der Bilanz der Banken macht. Sollte sich der Trend hin zu digitalen Zahlungen fortsetzen, dürften sich aber auch mehr und mehr Unternehmen fragen, ob es nicht ihrer Wettbewerbsfähigkeit zugutekommt, Bargeld an der Ladenkasse abzulehnen.

Denn der buchhalterische Aufwand und die Fahrten zur Bank zwecks Einzahlung des eingenommenen Geldes bleiben erhalten, unabhängig davon, wie viele Kunden bar bezahlen. Auf der Seite der Geldtransportunternehmen könnte es ähnlich aussehen: Geld muss weiterhin regelmäßig von A nach B gefahren werden, aber in geringerer Menge. Und so steigen die Kosten für den Transport des vereinnahmten Bargelds.

Auch die Einzahlungsgebühren bei den Banken dürften erheblich steigen, je weniger die Bargeldinfrastruktur genutzt wird. Sollte das mehr und mehr Ladenbetreiber und Großunternehmen dazu führen, Bargeld abzulehnen, wäre die EU-Kommission an dieser Entwicklung nicht unschuldig. Dabei gefährdet die schleichende Abkehr vom Bargeld einige unserer Grundfreiheiten:

  • Pressefreiheit: Investigative Journalisten sind bei der Zusammenarbeit mit Whistleblowern unter Umständen auf Bargeld angewiesen. Sei es, um den Ort des Treffens mit ihrem Informanten geheim zu halten, oder technische Hilfsmittel zur Auswertung der geleakten Dokumente zu erwerben, ohne Aufmerksamkeit auf ihre Person zu lenken.
  • Recht auf Privatsphäre: Die Verknüpfung der eigenen Identität mit dem Einkauf in einem Geschäft ermöglicht die Erstellung einer Verhaltensanalyse. Darüber hinaus verrät jede Buchung den eigenen Aufenthaltsort.
  • Vertragsfreiheit: Der Verlust der Möglichkeit, Bargeld zu verwenden, zwingt dazu, einen Vertrag mit einem Kreditinstitut einzugehen. Um seine Existenz sichern zu können und am öffentlichen Leben teilzunehmen, muss der Bürger die Bedingungen der Banken akzeptieren und Gebühren bezahlen.
  • Freie Entfaltung der Persönlichkeit: Geld ist momentan das, wofür die meisten ihre Lebenszeit einbringen, um überleben zu können, und was benötigt wird, um für Nahrung, Wohnen und andere unabdingbare Güter bezahlen zu können. Wird dieses Geld dem eigenen unmittelbaren Zugriff entzogen und in die digitale Welt eingesperrt, ist der Bürger vollkommen ausgeliefert, sobald Regierung oder Konzerne Willkür walten lassen.

Engagieren Sie sich mit für den Erhalt des Bargelds

Der Journalist und Handelsblatt-Redakteur Dr. Nobert Häring kämpft seit sieben Jahren gerichtlich dafür, dass der Staat in hoheitlichen Belangen sein eigenes gesetzliches Zahlungsmittel akzeptieren muss. Wenn es schleichend zur Norm würde, dass Abgaben oder auch Dienstleistungen auf Bürgerämtern nicht mehr bar beglichen werden können, wäre das fatal für das Vertrauen in Bargeld. Herr Häring ist bis zum Europäischen Gerichtshof gegangen. Dort erteilten die Richter den Mitgliedsstaaten der EU praktisch einen Freibrief für die Ablehnung des Bargelds. Im Interview mit dem Autor des vorliegenden Artikels resümierte er:

»Die besonders bargeldfeindliche Position der [Anwälte der] EU-Kommission fand sich sehr weitgehend im Plädoyer des EU-Generalanwalts und immer noch ziemlich weitgehend im darauf aufsetzenden Urteil der 15 EuGH-Richter des Großen Senats wieder.«

Inzwischen geht Dr. Norbert Häring den Weg zum Bundesverfassungsgericht. Auf seiner Internetseite informiert er über Neuigkeiten zum Thema Bargeld und bittet vor allem um eines: Zahlen Sie im Alltag, wo Sie können, nicht mit Karte, sondern mit Banknoten und Münzen.

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