Slowakei sagt digitalem Euro den Kampf an
Erstmals schreibt ein unabhängiger Staat die Barzahlung in seine Verfassung. Gleichzeitig wird auch die geltende Bargeldbeschränkung gelockert. In diesen Zeiten eine kleine Sensation. Von Hakon von Holst, 21.06.2023.
Nach Italien hat das erste Land in der Europäischen Union eine Bargeldobergrenze gelockert. In der Slowakei gilt seit dem 1. Januar 2013 ein Verbot für Barzahlungen ab 5000 Euro. Ab dem 1. Juli 2023 fällt die Schranke erst bei 15.000 Euro zu. Mittlerweile 18 EU-Länder begrenzen gewöhnliche Zahlungen mit Banknoten und Münzen ab bestimmten Beträgen. Das niedrigste Verbot besteht in Griechenland. Ab 500 Euro drohen dort Strafen. Unter den 18 Staaten galt bislang in Tschechien die am wenigsten strikte Beschränkung: Zahlungen bis umgerechnet 11.350 Euro sind erlaubt, laut Gesetz 270.000 tschechische Kronen. Die Lockerung in der Slowakei fällt in eine besondere Zeit: Im März plädierte das EU-Parlament für eine allgemeine Obergrenze in Höhe von 7000 Euro. Die deutsche Innenministerin sprach sich jüngt für ein Limit von »deutlich unter 10.000 Euro« aus.
Parallel hat der slowakische Nationalrat am 15. Juni eine Verfassungsänderung beschlossen: 111 von 150, also rund 75 Prozent der Abgeordneten, stimmten dafür, den Einzelhandel durch das höchste Gesetz auf die Akzeptanz von Bargeld zu verpflichten. Die Neuerung gilt ab dem 1. Juli, ist aber äußerst locker formuliert. Ladenbesitzer werden das Recht besitzen, die Annahme aus »angemessenen oder allgemein gültigen Gründen« abzulehnen. Bei dieser Formulierung sind zahlreiche Ausnahmen denkbar, über die zu befinden in der Hand gewöhnlicher Gesetze liegt. Es bleibt damit unklar, ob das Recht auf Barzahlung tatsächlich gestärkt worden ist, doch die symbolische Wirkung ist nicht zu übersehen. Einige Medien berichteten auch im Ausland. Die Slowakei ist das erste Land der Welt, das die Barzahlung in die Verfassung aufnimmt.
EURACTIV zitiert unter anderem den Abgeordneten Marián Viskupič, der vor einer »Überwachung des gesamten Lebens« warnt, die sich nach und nach durch den digitalen Euro etablieren könnte. Ein weiterer Parlamentarier sieht in der Verfassungsänderung eine Verteidigungsmauer gegen mögliche zukünftige Anordnungen von außen, »dass es nur den digitalen Euro und keine anderen Zahlungsoptionen geben darf«. An eben diesem 15. Juni war der Entwurf der EU-Kommission für eine Verordnung über eine elektronische Währung aufgetaucht. Norbert Häring hat das Papier tiefgreifend analysiert und kommt zu dem Schluss, die einzige erkennbare Funktion des E-Euros sei es, das »Bargeld verdrängen zu helfen und der digitalen Totalüberwachung näherzukommen«. Währenddessen feiert die Zahlungsbranche ihre Erfolge, jedoch weniger in der Slowakei als weiter im Norden: In größeren Städten in den Niederlanden lehnen bereits sechs Prozent der Einzelhändler Bargeld ab.
In Österreich unterzeichneten letztes Jahr 530.000 Bürger das Volksbegehren „für uneingeschränkte Bargeldzahlung“. Nun diskutiert der Nationalrat darüber, eine strikte Annahmeverpflichtung einzuführen. In Spanien ist der Einzelhandel seit dem 28. Mai 2022 zur Akzeptanz von Bargeld verpflichtet. Anfang 2023 versuchte ein parteiloser tschechischer Senator, die Barzahlung in die Verfassung seines Landes zu bringen, scheiterte jedoch bei dem Versuch. Ihm wurde entgegengehalten, ein gewöhnliches Gesetz wäre ausreichend.
In der Schweiz will der Bundesrat, also die Landesregierung, für den Zugang zu Bargeld durch eine Ergänzung der Verfassung garantieren. Damit reagiert er auf zwei Volksinitiativen. Die erste wurde im Februar dieses Jahres mit 137.000 Unterschriften zur Volksabstimmung zugelassen. Sie soll sicherstellen, dass der Bevölkerung zu allen Zeiten ausreichend Bargeld zur Verfügung steht. Im März startete dieselbe Gruppierung eine weitere Volksinitiative: Das Begehren »Ich zahle bar« soll eine restriktive Annahmeverpflichtung für Verkehrsbetriebe und Einzelhandel in die Verfassung bringen. Barzahlungsbeschränkungen durch den Gesetzgeber werden unterbunden. Die Initianten stellen sich exakte Mindestabstände von Bankautomaten oder anderen Bargeldauszahlungspunkten vor. Die Formulierung lässt nicht viele Schlupflöcher offen.
Damit es aber zur Abstimmung kommt, müssen bis September 2024 100.000 gültige beglaubigte Unterschriften zusammenkommen. Alle Schweizer Bürger dürfen unterschreiben. Auf der Internetseite der Initiative finden sich Unterschriftsbogen zum Ausdrucken. Wenn Sie Bekannte in der Schweiz haben, machen Sie darauf aufmerksam. Sollte den Schweizern Erfolg beschert sein, stünde ein Leuchtturm für die Zukunft des Bargelds mitten in Europa.
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