Bargeldgrenze ab 200 Euro
Das EU-Parlament will die Bürger zwingen, ab bestimmten Beträgen digital zu bezahlen. Wer wissen will, wohin die Reise führt, braucht nur nach Griechenland zu sehen. Von Hakon von Holst, 17.07.2023.
Athen gibt den Plan auf, Barzahlungen ab 200 Euro zu verbieten. Über das Ansinnen war erstmals im Januar 2023 berichtet worden. Weshalb rudert die Regierung zurück? Sie rechnet mit einer negativen Reaktion von EU-Kommission und Europäischer Zentralbank. Es geht um juristische Erwägungen: Weil der 500-Euro-Schein weiterhin den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels besitzt, sollte ein Bargeldverbot von unter 500 Euro unterbleiben. Andernfalls verlöre die Banknote ihre Zahlungskraft. Eine Entscheidung darüber obliegt jedoch dem Ratsgremium von Europas Notenbank EZB (1). Zudem besitzt nicht jeder Zugang zu einem Girokonto.
Die erste Barzahlungsgrenze wurde in Griechenland 2010 beschlossen. Ab dem 1. Januar 2012 galt durchweg ein Verbot ab 1500 Euro. Mit dem Gesetz vom 22. Dezember 2016 sank das Limit auf 500 Euro. Kein EU-Land kennt strengere Regeln. Eine mittelgroße Hotelrechnung oder ein durchschnittliches Laptop müssen seither rückverfolgbar digital bezahlt werden.
Innenministerin Nancy Faeser befürwortet eine »Bargeldobergrenze von deutlich unter 10.000 Euro«. Das EU-Parlament sprach sich im Frühjahr 2023 für eine Schwelle von 7000 Euro aus. Länder wie Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Kroatien, Slowenien oder Spanien haben ihr Barzahlungsverbot in der Vergangenheit herabgesetzt und nie wieder gelockert. Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnte 2016, es wäre naiv, anzunehmen, dass eine Bargeldobergrenze, einmal eingeführt, nicht schrittweise immer weiter gesenkt würde, zum Beispiel »auf 2000 oder auf 1000 Euro«. Damals wurde die Diskussion um ein Bargeldlimit erstmals in den deutschen Medien geführt.
Andere sprechen von einer Salamitaktik. Deren Prinzip erklärte der spätere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schon 1999: »Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.«
Blick nach Rom
In Europa führend nach Staatsschuldenquote sind Griechenland und Italien. Die gesamte Wirtschaftsleistung beider Länder müsste anderthalb Jahre lang an den Staat fließen, damit er die Forderungen seiner Gläubiger würde begleichen können – ein Ding der Unmöglichkeit. Rom und Athen fallen auch mit den härtesten Anti-Bargeld-Maßnahmen auf (2).
Im Februar 2021 übernahm Mario Draghi das Amt des italienischen Ministerpräsidenten. Zuvor leitete er die Europäische Zentralbank. Zu seinem Digitalisierungsminister machte er einen Parteilosen: Vittorio Colao, ehemals Spitzenverdiener bei Vodafone mit Station bei der Investmentbank Morgan Stanley und der Unternehmensberatung McKinsey. Im Jahr 2020 war Colao Leiter eines Expertengremiums in Büro des Regierungschefs Giuseppe Conte geworden. Als solcher schlug er eine Steuer auf übermäßige Bargeldabhebungen vor. Stellen Sie sich vor, Sie werden bestraft, weil Sie Ihr redlich verdientes Geld vom Girokonto runterholen!
Damit nicht genug: Colaos Gruppe setzte sich außerdem dafür ein, den 200-Euro- und den 500-Euro-Schein aus dem Verkehr zu ziehen (3). Würde die Europäische Zentralbank diese beiden Stückelungen zurückrufen und durch kleinere Banknoten ersetzen, wäre ein Bargeldlimit oberhalb 100 Euro eher denkbar. Für Colao kein Problem. Er sagte öffentlich, dass die Barzahlungsgrenze, wenn es nach ihm ginge, null Euro betragen könne (4). Also ein totales Bargeldverbot.
Wie dem auch sei, Colaos Vorschläge haben sich im Sand verlaufen, die Regierung Draghi ist passé und Bargeld bleibt europaweit das führende Tauschmittel im Einzelhandel. Wenn Sie die Zukunft dieses einzigen freien etablierten Zahlungssystems sichern wollen, greifen Sie an der Kasse stets zu Schein und Münze. Für Sie ist das selbstverständlich? Machen Sie Ihre Mitmenschen auf die Thematik aufmerksam und verteilen Sie die Visitenkarte »Ich bezahle bar«.
Quellen und Anmerkungen
Der Autor hat Quellenangaben und Verweise, soweit es möglich war, direkt als Verlinkungen in seinen Artikel integriert, um eine leichtere Zugänglichkeit von Referenzen und weiterführenden Inhalten zu erzielen. Die nachfolgenden ergänzenden Hinweise sind im Text durch eingeklammerte Ziffern angekündigt worden:
(1) Vergleiche Rede vom damaligen EZB-Direktor Yves Mersch 2018 (Seiten 61 und 62): https://www.bundesbank.de/resource/blob/764592/270cde5b4f22beb2250ed2d0a636f3b0/mL/bargeldsymposium-2018-data.pdf
(2) Italien beschloss 2010, die Bargeldobergrenze auf 5000 Euro zu senken, Griechenland entschied, erstmals ein Limit einzuführen. 2011 verschärfte Rom das Bargeldverbot gleich zweimal. Beide Länder waren zu dieser Zeit wegen ihrer Schulden Thema in den Medien. Im November 2011 bekamen sowohl Italien als auch Griechenland einen neuen Regierungschef: Mario Monti war Goldman-Sachs-Berater gewesen, Loukas Papadimos Vizepräsident der Europäischen Zentralbank und früher nationaler Notenbankgouverneur. Als solcher dürfte er eine Rolle bei der Beschönigung der griechischen Staatsschulden vor dem Euro-Beitritt besessen haben, an der die Investmentbank Goldman Sachs beteiligt war. Ab 2002 zählte Mario Draghi zu deren leitenden Mitarbeitern. Mehr zu griechischen und italienischen Anti-Bargeld-Maßnahmen: https://bargeldverbot.info/2021/11/26/18-eu-laender-bargeldobergrenzen/#Griechenland
(3) Beachte die Seiten 21 und 22 (zur Bargeldsteuer und zu den großen Banknoten): https://cdn.gelestatic.it/repubblica/blogautore/sites/408/2021/02/piano_colao_download_compressed.pdf
(4) Siehe Minute 36:30 hier https://www.radioradicale.it/scheda/589746/citta-impresa-2019-festival-40-cosa-chiede-allitalia-il-capitalismo-delle-piattaforme und in der Süddeutschen unter https://www.sueddeutsche.de/politik/draghi-eu-kabinett-recovery-fund-1.5205941
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