Wie der Faktenfuchs kritische Stimmen verunglimpft

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Bayern verschweigt fundierte Kritik an der Verdrängung des Bargelds und lässt engagierte Menschen in bösem Licht erscheinen. Ein Gastbeitrag von Dr. Norbert Häring, 20.10.2023.

Der „Faktenfuchs“ des Bayerischen Rundfunks hat Warnungen vor der „angeblichen Abschaffung des Bargelds“ als rechtsradikale, antisemitische Verschwörungstheorie demaskiert. Als einer der verunglimpften Warner habe ich den Beitrag mit erklärten Standards der Gruppe und den internationalen Standards für Faktenchecker verglichen. Er bricht jede Menge davon. Vieles davon streiten die Faktenfüchse nicht einmal ab. Aber Ergänzungen oder Korrekturen des vielfach fehlerhaften Beitrags nehmen sie nicht vor.

In einer Selbstbeschreibung des BR-Faktenfuchses heißt es:

„Die Faktenchecker-Truppe will nicht als Wahrheitsministerium verstanden werden, sie ist vielmehr Dienstleister auf der Suche nach mehr Fakten für die Diskussionen im Netz.“

Konkreter wird es im Beitrag „Faktenfuchs: Wie wir arbeiten“. Dort liest man folgende Prinzipien, von denen wir im Lauf dieses Beitrags sehen werden, dass die BR-Faktenfüchse sich in der Praxis einen feuchten Kehricht darum scheren:​

  1. „Die Recherchen des BR24 #Faktenfuchs entsprechen dem klassischen journalistischen Vorgehen, bei dem alle Perspektiven angehört (…) werden. (…) Die Faktenchecker versuchen, wo möglich, diejenigen zu kontaktieren, die die Behauptung aufstellen.“
  2. Verpflichtung auf den Code of Principles des International Fact Checking Networks. Darunter: Offenlegung eigener Interessenkonflikte.
  3. Ergebnisoffene Recherche
  4. „Wir versuchen zu klären: Was genau wird behauptet? Kann das sein? Gibt es dafür Belege oder nicht? Gibt es Hinweise, die aber noch nicht wissenschaftlich fundiert sind?“

Der diffamierende Faktenfuchs-Beitrag

Daran habe ich den Beitrag vom 22. September mit der nicht ganz sachlichen Überschrift „Wie eine angebliche Bargeldabschaffung Ängste schüren soll“ gemessen. Erkennbar ist gemeint, dass WARNUNGEN vor einer Bargeldabschaffung Ängste schüren sollen. Es geht im Vorspann weiter mit:

„Rechtspopulisten warnen vor einer angeblich drohenden Bargeldabschaffung, um Angst vor ‚totaler Überwachung‘ zu verbreiten. Wieso sich dieses Thema so gut dafür eignet und welche Rolle Verschwörungstheorien dabei spielen. Ein #Faktenfuchs.“

Vorangestellt werden drei Grundthesen:

  1. Das Recht auf Bargeld als Zahlungsmittel ist in der Europäischen Union auf Verfassungsebene verankert. Damit Bargeld abgeschafft werden könnte, müssten alle 27 Mitgliedstaaten zustimmen.
  2. Behauptungen zu einer angeblich drohenden Bargeldabschaffung kursieren seit Jahrzehnten. Sie knüpfen häufig an Mythen einer jüdischen Finanzverschwörung an.
  3. Besonders häufig verbreiten Akteure aus dem rechtspopulistischen bis rechtsextremen Spektrum Aussagen zu einer angeblichen Abschaffung des Bargelds.

Dass der Beitrag, über den ich hier schreibe, schon etwas älter ist, liegt vor allem daran, dass sich die Faktenfüchse stolze zehn Tage Zeit gelassen haben, um inhaltlich zu meiner Kritik Stellung zu nehmen. Man sei zu beschäftigt, um schneller zu reagieren, hieß es. Meine Vorwürfe waren nummeriert und einzeln begründet. Es wäre also leicht gewesen, auf jeden mindestens kurz mit einem „das stimmt nicht“ zu antworten. Stattdessen kam eine Stellungnahme, die in weiten Teilen im Ungefähren bleibt und gerade auf die schwerwiegendsten und offenkundigsten Mängel nicht explizit eingeht.

Ich habe mir in meinem Urlaub viel Mühe mit der Analyse dieses perfiden Beitrags gegeben, weil es sich nicht um eine isolierte Entgleisung, sondern um eine Kampagne gegen Bargeldverteidiger handelt.

Weil der Beitrag aufgrund der Vielzahl der schweren Mängel etwas länger geworden ist, hier vorab eine Übersicht dieser Mängel:

  1. Keine Anhörung der Gegenseite
  2. Verschwiegener Interessenkonflikt
  3. Diffamierende Verallgemeinerung
  4. Kein gleiches Maß
  5. Keine klare Darlegung der geprüften Behauptung
  6. Keine Primärquellen, keine Belege, keine Nachvollziehbarkeit
  7. Logikfehler
  8. Keine ergebnisoffene Recherche

1. Keine Anhörung der Gegenseite

Der Faktenfuchs ist Mitglied im International Fact-Checking-Network (IFCN) und unterwirft sich ausdrücklich dessen Prinzipien. Prinzip 5.5 schreibt vor, wenn möglich, diejenigen zu kontaktieren, die eine geprüfte Behauptung aufstellen, „um nach unterstützender Evidenz zu fragen“. Der Faktenfuchs erklärt auch auf seiner Netzseite unmissverständlich, dass er das tue, weil es zu den grundlegenden journalistischen Standards gehöre. Ich schrieb ihm also zur Einholung einer Stellungnahme:

„Aus Ihrem Text geht nicht hervor, dass Sie versucht haben, einen relevanten Warner vor Bargeldabschaffung zu kontaktieren und Stellung nehmen zu lassen. Hätten Sie es getan, und zum Beispiel mir als Autor des Wirtschaftsbestsellers ‚Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen‘ und Kläger gegen Bargeldannahmeverweigerung durch ARD und ZDF vor dem Europäischen Gerichtshof Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben, hätte ich Ihnen zu fast allen der folgenden Kritikpunkte Hinweise geben und mich gegen den impliziten (Antisemitismus-)Vorwurf verwahren können.“

Antwort des Faktenfuchses

In seiner Stellungnahme zehn Tage später schreibt der Faktenfuchs:

„Aufgrund der starken Verbreitung und der Relevanz des Themas ‚angebliche Bargeldabschaffung‘ haben wir uns entschieden, es aufzugreifen, jedoch nicht als klassischen Faktencheck einer Tatsachenbehauptung – wir überprüfen ja nicht die Behauptung, das Bargeld solle abgeschafft werden – sondern als ‚Prebunking‘-Artikel. Wir beleuchten also die Strategie, die manche Akteure mit der Verbreitung einer solchen Behauptung verfolgen. Durch das Bereitstellen von Informationen und analytischem Werkzeug wird die Resilienz gegenüber irreführenden Inhalten gestärkt.“

Nicht ausdrücklich gesagt, aber deutlich impliziert wird, dass die erklärten Standards für die eigene Arbeit und die IFCN-Standards nicht gelten, wenn es sich nicht um einen „klassischen Faktencheck“ handelt. Leider macht der Beitrag „Wie wir arbeiten“ keinen solchen Unterschied. Zu Recht präsentiert er die Anhörung der Gegenseite als grundlegenden Standard journalistischen Arbeitens, der für alle Recherchen des Faktenfuchses gelte.

Die Aussage „wir überprüfen ja nicht die Behauptung, das Bargeld solle abgeschafft werden“ ist eine für jeden Leser des Beitrags offenkundige Falschbehauptung, wie man sie von angeblich besonders faktenverliebten Journalisten nicht erwarten würde. Gleich das erste der drei vorangestellten (vermeintlichen) Rechercheergebnisse lautet: „Das Recht auf Bargeld als Zahlungsmittel ist in der Europäischen Union auf Verfassungsebene verankert. Damit Bargeld abgeschafft werden könnte, müssten alle 27 Mitgliedstaaten zustimmen.“ Im Haupttext wird diese (irreführende) Widerlegung der Behauptung von der drohenden Bargeldabschaffung weiter ausgebreitet. Es heißt dort unter anderem in direktem Widerspruch zu dieser: „Solche Pläne hat die EU nicht.“

Es handelt sich also entgegen der Schutzbehauptung der Faktenfüchse durchaus um einen Faktencheck, um die faktische Überprüfung einer Behauptung, wenn auch vielleicht nicht um einen „klassischen Faktencheck“.

Zwischenresümee

Der Faktenfuchs leugnet weder die ausgebliebene Anhörung der von ihm diffamierten Gruppe noch bietet er eine Rechtfertigung dafür. Er wirft nur eine Nebelkerze. Eine Behebung des Fehlers findet nicht statt.

2. Verschwiegener Interessenkonflikt

Grundsatz 2.3 des IFCN verlangt, eigene Interessenkonflikte kenntlich zu machen, darunter jedwede Beziehung der Faktenchecker zu anderen Organisationen, von der ein Mitglied der Öffentlichkeit vermuten könnte, dass es ihre Ergebnisse möglicherweise beeinflusst. Der Faktenfuchs bekennt sich nicht nur zu den IFCN-Grundsätzen, sondern verpflichtet sich auch ausdrücklich direkt zur Offenlegung von Interessenkonflikten. Ich habe deshalb um Stellungnahme zu Folgendem gebeten:

„In dem relevanten und von Ihnen angeführten Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Bargeld, war der Hessische Rundfunk stellvertretend für den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, einschließlich BR, die beklagte Partei, weil die gemeinsame Beitragseinzugszentrale die Annahme von Bargeld verweigert. Kläger in dem Verfahren war ich. Bei einer Institution, die verklagt wurde, weil sie Bargeldannahme verweigert, würde sich Lesern, die pflichtgemäß hierauf hingewiesen werden, die Möglichkeit aufdrängen, dass diese Institution nicht ganz unvoreingenommen die Fakten zu der These checkt, dass eine Bargeldabschaffung droht. Sie weisen aber nicht darauf hin.“

Antwort des Faktenfuchses

Keine

Zwischenresümee

Der Faktenfuchs hat entgegen den Standards, auf die er sich verpflichtet hat, einen eigenen Interessenkonflikt verschwiegen und streitet das nicht ab. Er korrigiert das Versäumnis aber auch nicht nachträglich.

3. Diffamierende Verallgemeinerung

Ich bat den Faktenfuchs um Stellungnahme zum Vorwurf:

„Bereits in der Überschrift diskreditieren Sie Warnungen vor einer Bargeldabschaffung als ‚Ängste schüren‘, was unlautere Absichten impliziert. Das ist für einen Faktencheck nicht angemessen, denn es ist immer Absicht von Warnungen, Besorgnis hervorzurufen. Verstärkend schreiben Sie in vorangestellten Grundthesen: ‚Behauptungen zu einer angeblich drohenden Bargeldabschaffung (…) knüpfen häufig an Mythen einer jüdischen Finanzverschwörung an‘ und ‚Besonders häufig verbreiten Akteure aus dem rechtspopulistischen bis rechtsextremen Spektrum Aussagen zu einer angeblichen Abschaffung des Bargelds.‘ Die Möglichkeit, dass mindestens ein relevanter Teil der Warner dies aus echter und legitimer Sorge und ohne niedere Motive tut, wird in Ihrem Beitrag praktisch nicht in Betracht gezogen, sodass alle Warner vor Bargeldabschaffung, mich eingeschlossen, in den Ruch des Antisemitismus und Rechtsextremismus gebracht werden. Sie schreiben sogar, der von Ihnen zitierte Experte ordne ‚DIE Behauptungen zur Bargeldabschaffung‘, also alle, ‚als rechtspopulistische Verschwörungstheorie ein‘ (Hervorhebung durch Großbuchstaben durch mich, N.H.).“

Antwort des Faktenfuchses

Der Faktenfuchs antwortet darauf, ohne auf die präsentierten Belege für Verallgemeinerung einzugehen, mit der Gegenbehauptung:

„Keinesfalls verallgemeinern wir (…), oder stellen Kritiker ‚pauschalierend in die antisemitische und ´rechtspopulistische bis rechtsradikale Ecke‘, wie Sie schreiben.“

Einzige sachliche Rechtfertigung ist:

„Wir gehen in unserem Text sehr deutlich auf den Unterschied zwischen faktischer Kritik an einer Bargeldabschaffung – die es unbestritten gibt (zum Beispiel Nachvollziehbarkeit von bargeldlosen Zahlungen, Verlust von Privatsphäre, Zustände wie in China, etc.) – und den Äußerungen, die von der faktischen Basis abweichen und an Verschwörungstheorien anknüpfen, ein.“

Diese Behauptungen sind in mehrfacher Hinsicht falsch und irreführend. Wie jeder Leser des Faktenfuchs-Beitrags leicht nachprüfen kann, wird dort nicht „deutlich“ ein Unterschied zwischen legitimer Kritik und rechten oder antisemitischen Verschwörungstheorien herausgestellt. Es werden lediglich ohne klare Einordnung in die Argumentation einige Argumente präsentiert, warum Bargeld wichtig ist und warum es deshalb gut ist, dass niemand das Bargeld abschaffen will. Dass es auch legitime Warnungen vor einer drohenden Bargeldabschaffung geben könnte, wird nur einmal, sehr weit hinten, in einem kurzen Nebensatz im Statement eines Experten erwähnt.

Zwischenresümee

Der Faktenfuchs stellt in diffamierend generalisierender Weise jeden Warner vor einer drohenden Bargeldabschaffung in die antisemitische oder „rechtspopulistische bis rechtsradikale“ Ecke und stellt zur Abwehr dieser Kritik in seiner Erwiderung falsche Behauptungen auf. Eine nachträgliche Klarstellung und Entschuldigung bei den Diffamierten gibt es nicht.

4. Kein gleiches Maß

IFCN-Prinzip 2.1 verlangt, vergleichbare Behauptungen anhand der gleichen hohen Standards in Sachen Evidenz und Beurteilung zu prüfen, unabhängig davon, wer sie tätigt. Ich sah das verletzt und schrieb dem Faktenfuchs:

„Sie begegnen jedoch der These der Warner, das Bargeld könnte bald abgeschafft werden, mit der Behauptung: ‚Solche Pläne hat die EU nicht‘. Diese belegen sie lediglich durch die weitere Behauptung, die EU-Kommission ‚will‘ mit einem anderen Gesetzentwurf ‚die Verfügbarkeit von Bargeld weiter stärken‘. Sie schließen aus den Verlautbarungen einer Partei (EU) direkt auf deren entsprechende Motive und Absichten, während sie der Gegenpartei summarisch und schon in der Überschrift unlautere Absichten unterstellen (Angst schüren, Antisemitismus verbreiten). Das widerspricht dem zitierten IFCN-Standard.“

Unterstützend wies ich auf von mir auf meinem Blog präsentierte Indizien dafür hin, dass die Kommission entgegen ihrer Verlautbarungen die De-facto-Beseitigung des Bargelds nicht verhindern will. Dazu gehört, dass sie dem als zusätzlichem gesetzlichen Zahlungsmittel geplanten digitalen Euro den Schutz zukommen lassen will, dass Geschäfte dessen Annahme nicht einseitig in ihren Geschäftsbedingungen ablehnen können, während sie dem bisher einzigen gesetzlichen Zahlungsmittel Bargeld diesen Schutz auch dann noch weiterhin versagen will.

Antwort des Faktenfuchses

Keine

Zwischenresümee

Der Faktenfuchs legt grob ungleiche Maßstäbe an Behauptungen an, je nachdem, von wem diese stammen, und bestreitet das in seiner Stellungnahme nicht.

5. Keine klare Darlegung der geprüften Behauptung

Entgegen der oben zitierten Selbstverpflichtung, zu klären, was genau behauptet wird, wird an keiner Stelle erläutert, was mit Bargeldabschaffungen und Warnungen davor gemeint ist. Nur implizit, aufgrund der Argumente zur Widerlegung, werden die Leser gelenkt, davon auszugehen, dass damit ein komplettes Verbot oder eine explizite komplette Abschaffung des Bargelds per Gesetz oder Änderung des EU-Vertrags gemeint ist und dass Warner vor Bargeldabschaffung also in aller Regel hiervor warnen. Das ist aber grob falsch. Ich habe das dem Faktenfuchs mitgeteilt und daneben:

„Es ist unmöglich, die Standards des IFCN für Faktenchecks zu erfüllen, wenn man die zu überprüfende These nicht hinreichend deutlich beschreibt. Das betrifft u.a. Grundsatz 3.3 des IFCN (meine Übersetzung): ‚Der Antragsteller prüft alle Schlüsselelemente der Anträge anhand von mehr als einer benannten Beweisquelle.‘ Sie checken die Schlüsselelemente der These nicht, weil sie nur das eine Element einer unzulässig stark verengten These prüfen. (…) Diese ist keinesfalls eine dominierende These und Sie liefern auch kein Beispiel für einen Warner, der diese These vertritt. Tatsächlich gehen die Warnungen von mir und anderen dahin, dass das Bargeld durch regulatorische und gesetzliche Beschränkungen so unattraktiv und teuer gemacht wird, dass es immer weniger genutzt wird, was es noch unattraktiver und teurer macht, bis es ganz von der Bildfläche verschwindet. Mit dieser relevanteren Auslegung des Wortes Bargeldabschaffung und den reichhaltigen Argumenten und Indizien, die ich und andere dafür vorgetragen haben, setzen sie sich überhaupt nicht auseinander.“

Antwort des Faktenfuchses

Keine, abgesehen von der erwähnten Falschbehauptung, dass in dem Beitrag die These von der drohenden Abschaffung nicht gecheckt werde und der mitschwingenden, abseitigen Interpretation, dass journalistische Grundsätze und die erklärten Grundsätze für die eigene Arbeit nicht gälten, wenn es sich nicht um einen „klassischen“ Faktencheck handele.

Zwischenresümee

Der Faktenfuchs versucht entgegen seiner Selbstverpflichtung und seiner Verpflichtungen als IFCN-Mitglied nicht, klarzustellen, wie genau die These lautet, mit der er sich auseinandersetzt. Er nutzt diese Unklarheit, um durch Assoziation verallgemeinernd Warner vor Bargeldabschaffung als latente Antisemiten oder „rechtspopulistisch bis rechtsradikal“ darzustellen. Er leugnet die fehlende Klarstellung der geprüften These nicht, behauptet allerdings fälschlicherweise, er habe gar keine These auf den Prüfstand gestellt. Eine nachträgliche Korrektur oder Ergänzung des Beitrags findet nicht statt.

6. Keine Primärquellen, keine Belege, keine Nachvollziehbarkeit

Grundsatz 3.2 des IFCN verlangt, vorrangig die besten verfügbaren Primärquellen zu nutzen. Ich wollte deshalb vom Faktenfuchs wissen, warum er keine relevanten Primärquellen für die Warnungen vor Bargeldabschaffung präsentierte, die angeblich überwiegend antisemitische Bezüge haben und rechtsradikal angehaucht sind:

„Nur ganz hinten zitieren Sie zwei namenlose Twitter-Nutzer mit den Warnungen ‚Achtung: Bargeld soll weg!‘ und ‚sie wollen die totale Überwachung.‘ Außerdem zeigen Sie ein Foto von einem Transparent bei einer nicht näher bezeichneten Demonstration auf dem steht: ‚Bargeld ist Freiheit. Nein zum digitalen Zentralbankgeld‘. Das Transparent warnt nicht direkt vor Bargeldabschaffung und sagt auch nicht aus, was Ihre vorangestellte Bildbeschreibung behauptet, nämlich einen Aufruf, möglichst viel Bargeld abzuheben. Sie stützen sich abgesehen von diesen kaum relevanten Beispielen allein auf Aussagen von Dritten über Warnungen vor Bargeldabschaffung und darüber, wie diese zu bewerten seien. Erst ganz hinten wird über einen Experten eine AfD-Politikerin aus einer Rede bruchstückhaft mit einer Warnung vor Bargeldabschaffung zitiert, aus er aber kein Antisemitismus oder Rechtsextremismus deutlich wird.“

Grundsatz 3.1 des IFCN verlangt von Faktencheckern „die Quelle aller wichtigen Belege anzugeben, die er bei seinen Faktenüberprüfungen verwendet hat, und die entsprechenden Links bereitzustellen, wenn die Quelle online verfügbar ist, so dass die Nutzer ihre Arbeit auf Wunsch nachvollziehen können.“ Ich bat deshalb um Stellungnahme zu Folgendem:

„Es ist aber nicht möglich für Leser, diesen Faktencheck zu replizieren, weil keine Beispiele und Quellen für die gecheckte These geboten werden, nirgends zu den Warnungen verlinkt wird und kein Vertreter der Warner zu Wort kommt. Die Expertenmeinungen stammen aus Gesprächen mit den Experten und sind ebenfalls nicht replizierbar für Nutzer. Nutzer können daher nicht ansatzweise nachprüfen, ob plausibel ist, dass es sich bei Warnungen vor Bargeldbeseitigung überwiegend um antisemitische und ‚rechtspopulistische bis rechtsradikale‘ Akteure und Thesen handelt.“

Antwort des Faktenfuchses

„Auch geht es bei unserer Arbeit nicht darum, Behauptungen zu weiterer Verbreitung zu verhelfen. Zwar sind Behauptungen, die sich stark verbreiten, Anstoß für unsere Recherchen. Wir tragen aber nicht zu deren Verbreitung – oder zur Verbreitung von Des- und Misinformation – bei. Deshalb anonymisieren wir Posts in unseren Artikeln und verlinken nicht auf die Behauptungen.“

Zwischenresümee

Die Faktenfüchse sind zwar Mitglied des IFCN und haben sich auf dessen Standards verpflichtet, darunter auch den, auf Primärquellen zu verlinken und Recherchen für Leser nachvollziehbar zu präsentieren. Sie tun das aber nicht, weil sie meinen, dadurch würden sie den von ihnen diskreditierten Behauptungen zur Verbreitung verhelfen. Das widerspricht nicht nur den IFCN-Standards, sondern die Aussage ist auch noch nachweislich falsch, wie man beispielsweise an einer vom Faktenfuchs in einem aktuellen Beitrag verlinkten Behauptung einer AfD-Politikerin zu ausreisepflichtigen Ausländern sehen kann.

7. Elementarer Logikfehler

Die Expertenargumentation beruht maßgeblich darauf, dass die Warnungen vor Bargeldabschaffung latent antisemitisch und rechtspopulistisch bis rechtsextrem seien, weil sie von Eliten ausgingen, die nicht das tun und wollen, was sie vorgeben, und vor Totalüberwachung warnen. Beides seien auch oft Bestandteile rechter und antisemitischer Verschwörungstheorien.

Genauso wenig, wie jede Flüssigkeit Wasser ist, wenn sie flüssig und transparent wie Wasser ist, ist jede Behauptung, die einer Elite unterstellt, gegen Interessen der Bevölkerung zu handeln, ohne das offen zu sagen, eine rechtsextreme Verschwörungstheorie.

Dass das nicht nur ein theoretisches Manko ist, sondern dass es für solche Behauptungen gute und vom Faktenfuchs ignorierte Gründe gibt, will ich zur Vermeidung von Doppelungen unter dem Folgepunkt darlegen.

8. Keine ergebnisoffene Recherche

Ich habe den Faktenfuchs darauf hingewiesen, dass es aus meiner Sicht einer ergebnisoffenen Recherche widerspricht, wenn man vor allem Experten auswählt, von denen man aufgrund ihrer Spezialisierung auf Antisemitismus und Rechtsextremismus schon weiß, dass sie die These zum Bargeld in diesem Lichte einordnen werden, und wenn die wissenschaftliche Qualifikation dieser Experten noch dazu grenzwertig ist. Der eine hat als höchsten wissenschaftlichen Abschluss einen Bachelor und studiert seit sechs Jahren auf den Master hin, der andere ist ein frisch promovierter „freischaffender Politikwissenschaftler“ ohne institutionelle Zugehörigkeit zu einer wissenschaftlichen Institution.

Auch die Nichtbefassung mit den Argumenten der Diffamierten und die Tatsache, dass man diese nicht zu Wort kommen lässt, widersprechen dem Grundsatz der ergebnisoffenen Recherche und führen zusammen mit dem dargelegten Logikfehler zu dem diffamierend generalisierenden Ergebnis, dass alle oder so gut wie alle Warnungen vor Bargeldabschaffung einen antisemitischen oder „rechtspopulistischen bis rechtsradikalen“ Hintergrund haben. Ich bat den Faktenfuchs um Stellungnahme zu:

„Die Expertenargumentation beruht darauf, dass die Warnungen latent antisemitisch und rechtspopulistisch bis rechtsextrem seien, weil sie von Eliten ausgingen, die nicht das tun und wollen, was sie zu tun und wollen vorgeben. Auf meinem Blog habe ich auf ein Arbeitspapier des Internationalen Währungsfonds hingewiesen, in dem Regierungen, die das Bargeld beseitigen wollen, explizit geraten wird, wegen des drohenden Widerstands der Bevölkerung langsam und heimlich vorzugehen und nach Möglichkeit Private mit Interesse an Bargeldbeseitigung vorangehen zu lassen. Es ist eine weithin bekannte Lebenstatsache, dass Politiker nicht immer transparent machen, was sie beabsichtigen. Ich habe außerdem auf meinem Blog und in meinen Büchern viele Belege dafür geliefert, dass die EU-Kommission, die Bundesregierung und andere entgegen ihren Verlautbarungen bargeldfeindlich eingestellt sind und handeln. Dazu gehört, dass die Bundesregierung zu den wichtigsten Finanzierern einer ‚Better Than Cash Alliance‘ (Besser-als-Bargeld-Allianz) gehört, die das Ziel verfolgt, die Bargeldnutzung zurückzudrängen, unter dem Vorwand, dass das der finanziellen Inklusion diene.“

Antwort des Faktenfuchses

Keine

Zwischenresümee

Dass ein Masterstudent und ein frischgebackener Doktor der Politikwissenschaften, die sich schwerpunktmäßig nicht mit dem Geldwesen, sondern mit Antisemitismus und Rechtsradikalismus beschäftigen, die oben aufgeführten Sachverhalte nicht kennen, kann man ihnen nicht vorwerfen. Aber hätten sich die Faktenfüchse im Zuge der versprochenen ergebnisoffenen Recherche mit den Argumenten der Warner vor Bargeldabschaffung beschäftigt, anstatt sich darauf zu konzentrieren, diese pauschal zu diffamieren, wären ihnen solche Informationen und Argumente zweifellos begegnet.

Zusammenfassende Beurteilung

Überwiegend falsch.

Anders als die angeblichen Faktenchecker des Bayerischen Rundfunks behaupten, sind Warnungen vor einer drohenden Bargeldabschaffung – in sinnvoller Definition – keinesfalls eine rechte oder gar antisemitische Verschwörungstheorie. Spätestens seit Beginn einer internationalen Kampagne gegen das Bargeld Anfang 2016, bei der maßgebliche Leute wie der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers und der ehemalige IWF-Chefvolkswirt Ken Rogoff ausdrücklich dessen weitgehende Abschaffung forderten, und den bargeldfeindlichen Reaktionen der deutschen und europäischen Politik darauf (Ende des 500-Euro-Scheins; Forderungen nach Barzahlungsverboten), ist es eine von weiten Teilen der Bevölkerung, und damit natürlich auch von Antisemiten und Rechtsradikalen, gesehene Gefahr.

Durch gezielte Konzentration auf Letztere, unter Auslassung aller anderen, durch tendenziöse Recherche, Verzicht auf Belege aus Primärquellen, Nichtkontaktieren derer, die die Behauptung aufstellen, semantische Tricks, fehlerhafte Kurzschlusslogik, vage Definition der geprüften Behauptung, Messen mit ungleichem Maß und unzulässige Verallgemeinerung erweckt der Faktenfuchs gezielt einen falschen Eindruck, mit dem er alle Warner vor Bargeldabschaffung zu Unrecht diffamiert, und das auch noch ohne auf einen eigenen Interessenkonflikt hinzuweisen.

In angemessenem Ton auf alle diese eklatanten Mängel seines Beitrags hingewiesen, nimmt sich der Faktenfuchs über eine Woche Zeit, um diese Vorwürfe überhaupt zu prüfen und lässt den diffamierenden Beitrag weiter online. Seine Stellungnahme nach zehn Tagen ist schließlich voller Ausflüchte und falscher Behauptungen und geht nicht auf die schwerwiegendsten Vorwürfe wie Nichtkontaktieren der Angegriffenen und Verschweigen eines Interessenkonflikts ein. Der Faktenfuchs lässt den Beitrag auch danach unverändert online abrufbar stehen.

Publizistisch tätige Menschen, die so handeln, sind keine Journalisten, sondern Propagandisten im Dienste der Obrigkeit.

Nachwort

Der Vollständigkeit halber will ich noch erwähnen, dass ich den Faktenfuchs darauf hingewiesen habe, dass er aus meiner Sicht das von ihm angeführte Bargeld-Urteil des Europäischen Gerichtshofs in meinem Verfahren gegen den Hessischen Rundfunk falsch interpretiert und auf weitere falsche Schlussfolgerungen (aus meiner Sicht). Darauf erhielt ich keine Antwort.

Damit Sie ein Gefühl dafür bekommen, wen außer mir die Faktenfüchse in die rechtsradikale Ecke stellen, will ich ein paar ausdrückliche Warner vor Bargeldabschaffung aufzählen. Dazu gehört ein Bundesbankvorstand. Die Bundesbank schrieb zu ihrem Bargeldsymposium 2018:

„Bundesbankvorstand Carl-Ludwig Thiele hat sich gegen eine Abschaffung des Bargelds ausgesprochen. Sie berge hohe Risiken, bei denen die Nachteile die Vorteile bei weitem überwögen, sagte Thiele beim vierten Bargeldsymposium der Bundesbank.“

Ist der Bundesbankvorstand etwa einer antisemitischen Verschwörungstheorie aufgesessen?

Die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission haben ihre Pläne zur Ausgabe eines digitalen Zentralbankgelds als zweitem gesetzlichen Zahlungsmittel parallel zum Bargeld auch damit begründet, dass die Nutzung des Bargeldes immer weiter zurückgehe und in absehbarer Zeit vernachlässigbar werden könnte. Wörtlich schreibt die Kommission zur Begründung der Notwendigkeit von digitalem Zentralbankgeld als zusätzlichem gesetzlichen Zahlungsmittel: „The objective of this proposal is to ensure that central bank money with the status of legal tender remains available to the general public.“ („Das Ziel dieses Vorschlags ist, sicherzustellen, dass Zentralbankgeld mit dem Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels für die Öffentlichkeit verfügbar bleibt.“

Und dann sind da noch maßgebliche Politiker von FDP und Grünen, wie ein Artikel aus dem Jahr 2016 beweist, als im Gefolge einer von den USA ausgehenden Kampagne gegen das Bargeld (Larry Summers, Ken Rogoff, Wim Buiter) die Diskussion um eine Bargeldabschaffung erstmals richtig hochkochte:

„Auch Deutschland bewegt sich langsam in eine Richtung, an deren Ende die vollkommene Abschaffung des Bargelds stehen könnte. Die Bundesregierung setzt sich derzeit für eine europäische Obergrenze für Bargeldgeschäfte ein. Doch wenn es auf der EU-Ebene keine Einigung gibt, dann will die Bundesregierung auch alleine handeln. (…) Für die FDP sagte der Finanzexperte Dr. Volker Wissing: ‚Union und SPD geht es nicht um die Bekämpfung der Terrorfinanzierung, sondern um die Kontrolle über die Sparguthaben.‘ Die FDP lehne den Einstieg in ein Bargeldverbot ab. ‚Bargeld ist gelebte Freiheit, die wir nicht preisgeben sollten.‘ Die Grünen sehen das ähnlich wie die FDP. Ihr Bundestagsabgeordneter und Datenschutz-Experte Konstantin von Notz kritisierte den Vorstoß des Finanzministeriums via Twitter: ‚Der Versuch, nun Bargeldzahlungen massiv einzuschränken, ist ein neuer fundamentaler Angriff auf den Datenschutz und die Privatsphäre.‘“

Dieser Beitrag erschien zuerst am 10.10.2023 auf dem Blog »Geld und mehr« von Norbert Häring.

Über den Autor

Dr. Norbert Häring, Jahrgang 1963, ist Wirtschaftsjournalist und seit 2002 Redakteur beim Handelsblatt. Von ihm erschienen unter anderem die Bücher »Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen«, »Schönes neues Geld« und »Endspiel des Kapitalismus«. Seine Beschwerde gegen die Entscheidung in seinem Verfahren auf Barzahlung einer hoheitlich auferlegten Geldleistungspflicht (Rundfunkbeitrag) ist beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Weiteres erfahren Sie hier.

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