Frankreich fordert härtere Bekämpfung des Bargelds
Die EU hat ein Bargeldverbot ab einem Betrag von 10.000 Euro auf den Tisch gebracht. Paris geht das nicht weit genug. Die Grenze müsse niedriger sein. Die Begründung dafür nennt sich Geldwäsche. Ob das Argument tragfähig ist, wollen wir in diesem Artikel näher beleuchten.
Inhaltsübersicht:
Die Forderung nach Bargeldlosigkeit aus Paris
»Wenn wir bei der Bekämpfung der Geldwäsche in Europa ambitionierter sein wollen, muss die Grenze niedriger sein. Ein Limit von 10.000 Euro lässt immer noch viele Möglichkeiten, Geld zu waschen.« Ein Beamter aus dem französischen Finanzministerium gegenüber Welt am Sonntag
Was ist Geldwäsche?
Ein Mensch oder eine Firma befindet sich in Besitz von elektronischem Geld oder Bargeld, das in einem bestimmten Staat Verwendung finden soll, zum Beispiel in Deutschland. Das Geld soll für eine größere Überweisung genutzt, für den Kauf einer Immobilie oder etwas anderes fruchtbar gemacht werden. Das Problem ist jedoch, dass die Behörden manchmal genau hinschauen, wie die Person zu ihrem Geld gekommen ist. Da der Betreffende auf verbotenem Weg zu seinem Vermögen gekommen ist – Drogenhandel, Erpressung, Menschenhandel, Steuerbetrug –, steht er vor einem Problem. Er versucht jetzt also, es so aussehen zu lassen, als käme das Geld aus einer legalen Quelle. Das ist Geldwäsche.
Würde eine Bargeldabschaffung das Ende der Geldwäsche bedeuten?
Geldwäsche kann auch nach einem Bargeldverbot und ohne die Existenz von Bargeld oder anderen physischen Tauschmitteln wie etwa Gold funktionieren, und das ganz problemlos. Ein fiktives Beispiel:
Ein Bauer aus dem Mittleren Osten erntet eine gute Portion Opium. Der Mittelsmann einer gut vernetzten Firma vereinbart mit dem Landwirt, im Austausch für das Opium Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Der Bauer lässt sich darauf ein, denn mit den Helfern kann er seinen Reisanbau ausweiten.
Die Hilfsarbeiter werden von einer ausländischen Gesellschaft an ein zwielichtiges Unternehmen vermittelt, das sowohl bei legalen als auch illegalen Aktivitäten behilflich ist: Von außen sieht es so aus, als würde es mit seinen ausgeliehenen Mitarbeitern Dienstleistungen für verschiedene Branchen durchführen. Dabei geht dann unter, dass die Firma von solchen Leuten wie dem Opiumbauer gar kein Geld für die zur Verfügung gestellten Arbeiter erhält.
Da die Behörden korrumpiert sind, untersuchen sie nicht, wie es kommen kann, dass ein einziger Landwirt ohne Mitarbeiter so mir nichts, dir nichts riesige Mengen Reis erntet. Und derweil hat der Opiumhändler die Beute in ein anderes Land schmuggeln lassen. Er verkauft sie einer international tätigen Mafiaorganisation, indem eine seiner Firmen eine teure Beratungsleistung in Rechnung stellt. Die Mafia bezahlt per Banküberweisung.
Das hier angedeutete Netzwerk aus zwielichtigen Firmen ist nichts Ungewöhnliches. Tatsächlich ist die Nutzung von Scheinfirmen eine der am häufigsten angewandten Möglichkeiten im Bereich der Geldwäsche. Daran kann auch eine Bargeldabschaffung nichts ändern.
Große Kriminalität, große Möglichkeiten
Gut organisierte kriminelle Netzwerke wie das eben beschriebene haben auch die ganz großen Möglichkeiten. So können Politiker gezielt erpressbar gemacht werden, indem man sie in ein Steuersparmodell hineinlockt oder ihnen Minderjährige zur Prostitution anbietet. Der Politiker muss seine Erpresser fortan gütlich stimmen, denn er kann jeden Moment auffliegen. In der Folge festigen sich die Hürden für den Gesetzgeber, vielversprechendere Maßnahmen gegen Geldwäsche zu ergreifen. Leichter ist es dann, sich mit der Einführung einer Bargeldobergrenze beim Wähler als Kämpfer gegen die Kriminalität zu profilieren. Die Mafia lacht darüber, denn nur bei der kleinen Konkurrenz – der schlecht organisierten Kriminalität – haben Banknoten eine größere Bedeutung.
Profitiert die Organisierte Kriminalität von einer Bargeldabschaffung?
Möglicherweise wächst der Einfluss der gut organisierten kriminellen Netzwerke im Falle einer Bargeldabschaffung: Ein Kleinkrimineller könnte nämlich abhängiger von den Möglichkeiten und Strukturen der Großen werden. Gleichzeitig lebt er gefährlicher als früher. Er hat mehr Angst, aufzufliegen, und findet sich in der gleichen missliebigen Lage wie der genannte Politiker wieder. Dieser Mensch ist erpressbar und damit ein Spielball der Organisierten Kriminalität. Der Chef der Mafiagruppe agiert natürlich von einem anderen Land aus. Nur die Leute am unteren Ende der Befehlskette fliegen immer wieder auf.
Mit der Bargeldabschaffung wird die Welt nicht besser
Vor diesen Hintergrund können uns folgende Standpunkte, die von vielen Experten vertreten werden, nicht mehr verwundern:
»Die Abschaffung von Bargeld würde daher Terrorismusfinanzierung oder Geldwäsche nicht verhindern, sondern nur auf elektronische Zahlungswege verlagern.« Peter Schneiderhan, Oberstaatsanwalt und Mitglied im Präsidium des Deutschen Richterbunds, gegenüber der FAZ
»In Bezug auf die organisierte Kriminalität ist festzustellen, dass diese heute weitgehend bei der Überweisung grösserer Zahlungsströme bargeldlos verläuft. Nur noch im Tatort-Krimi werden Millionen in Koffern über die Grenze verschoben – die organisierte Kriminalität hat schon längst andere Möglichkeiten mithilfe von Scheinfirmen und gefälschten Transaktionen ohne Papiere gefunden, bargeldlos grosse Summen von A nach B zu überweisen.« Friedrich Schneider, Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre, Experte auf dem Gebiet der Schattenwirtschaft, in einem Aufsatz
»Durch Einschränkungen von Barzahlungen würden nur die Transaktionskosten leicht erhöht, doch der Effekt sei minimal«, zitiert die FAZ Friedrich Schneider in der indirekten Rede
»Und derjenige, der solche Begrenzungen einführt, der jetzt letztlich eigentlich will, dass das Bargeld verschwindet, damit der Staat im Prinzip alles überwachen kann, was elektronisch überwiesen wird oder bezahlt wird, derjenige ist beweispflichtig. […]. Und wenn man dieses Raster immer enger macht, dann wird die Freiheit eben doch sehr stark eingeschränkt, und zwar nicht die Freiheit von Terroristen, weil die sich an bestimmte Regeln sowieso nicht halten. Sie können ja niemanden, der der Mafia angehört, daran hindern, dass er bestimmte Summen dann vielleicht im Ausland – in Russland, wo auch immer – dann doch weiterhin in den Geldkreislauf einspeist.« Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (2003–2013), im Deutschlandfunk
»Bislang gibt es keinen wissenschaftlich fundierten Beleg, dass mit Barzahlungsobergrenzen das Ziel erreicht wird, Geldwäsche zu bekämpfen.« Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann, zitiert von der Deutschen Presse-Agentur
»Wenn ich jetzt, nur noch bargeldlos, angewiesen bin letztendlich auf elektronisches Geld, dann habe ich eine gewisse Definitionsmacht über mein Geld an die Banken abgetreten. […]. Aber das macht organisierter Kriminalität nichts aus. Denn der Zugriff des Geldes durch organisierte Kriminalität ist ja durch, meist durch eigene Banken gewährleistet. Und durch eigene Gewährsleute, sprich Strohleute, sodass eigentlich die Zielrichtung die total falsche ist. Der Bürger wird betroffen und die organisierte Kriminalität lacht darüber, dass wir solche Gedanken haben und uns einbilden, wir könnten durch solche Maßnahmen organisierte Kriminalität bekämpfen. Das wird so nicht gelingen.« Professor Gerhard Schmelz, Kriminologe und ehemaliger Kriminaldirektor, in der Dokumentation »Könnes Kämpft – Bargeldlos – eine Zukunft ohne Scheine«
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