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Wir wenden uns an die Regierungen in ganz Europa
Im EU-Ministerrat entscheidet sich in diesen Wochen, ob das einzige staatliche Zahlungsmittel, unser Bargeld, der Marktwirtschaft und dem Zerfall preisgegeben wird oder ob sich die Regierungen dazu durchringen, seine Akzeptanz und Verfügbarkeit wirksam abzusichern. Wir haben uns deshalb an alle Finanzministerien und an die Europäische Zentralbank gewandt. Von Hansjörg Stützle, 22.05.2025.
Die geplante EU-Bargeld-Verordnung nach dem Entwurf der EU-Kommission wäre reine Symbolpolitik. Ein zahnloser Tiger, der die Bürger glauben lässt, der Staat kümmere sich sorgsam um den Erhalt des Bargelds. Wir thematisieren deshalb die Hintertüren und Lücken in der Gesetzesvorlage. Denn wenn bekannt wird, dass die Verordnung das schleichende Verschwinden von Geldautomaten und Bankfilialen erlaubt und für die Flut von bargeldlosen Geschäften keine konsequenten Gegenmaßnahmen vorsieht, gerät die Politik unter Druck. Dann muss nachgebessert werden.
Wir haben Anfang Mai die Finanzministerien im Euroraum persönlich mit den Schwächen des Gesetzesentwurfs konfrontiert. Der offene Brief ging per Post und per E-Mail an ausgewählte Ministerialbeamte in den Finanzministerien von Deutschland und Österreich sowie an die Schwesterministerien in den Euroländern Belgien, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien und Zypern. Auch Piero Cipollone, das für Bargeld zuständige Vorstandsmitglied der Europäische Zentralbank, erhielt ein Schreiben.
Wir haben spontan gehandelt, da wir erfuhren, dass schon in diesen Wochen im Rat der europäischen Finanzminister eine Entscheidung über die Bargeld-Verordnung ansteht. Das ist zwar keine finale Entscheidung, weil auch das EU-Parlament noch zustimmen muss. Aber eine richtungsweisende Verhandlungsgrundlage wäre es definitiv. Wenn die Entscheidung zum Nachteil des Bargelds ausfällt, hätten wir eine gefährliche Ausgangsbasis für das, was dann kommt: Im nächsten Schritt würden Politiker des EU-Parlaments nach der Sommerpause ebenfalls Änderungsvorschläge diskutieren und eine Entscheidung treffen. Am Schluss, das ist womöglich schon im Herbst, müssen sich EU-Ministerrat und EU-Parlament auf eine gemeinsame Position einigen. Und ob diese Diskussion in der Öffentlichkeit thematisiert wird, ist ungewiss.
Unser Brief soll Bewusstsein bei Finanzministern und Ministerialbeamten schaffen, dass die Bargeld-Verordnung unbedingt zu Gunsten des Bargelds verbessert werden muss. Nachfolgend lesen Sie meinen offenen Brief. Ich danke Hakon von Holst, der für dieses Schreiben die Schwächen der Bargeld-Verordnung herausgearbeitet hat, und einem weiteren Mitstreiter, der sich um die Übersetzung gekümmert hat. Den Originalbrief in Englisch können Sie hier ansehen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin Initiator einer Petition zum Erhalt des Bargelds als Zahlungsmittel. Der frühere Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, Franz-Christoph Zeitler, und eine sechsstellige Zahl weiterer Menschen haben die Petition auf www.Bargelderhalt.eu unterzeichnet – und es werden täglich mehr. In den letzten Monaten trat ich mehrmals in öffentlich-rechtlichen Fernsehsendungen auf (1).
Nun ist die Nachricht zu mir durchgedrungen, dass die Fachminister der Euro-Länder schon in diesem Monat im EU-Ministerrat die Verordnungsvorschläge für das Bargeld und den digitalen Euro verabschieden wollen.
Sicher liegt Ihnen ebenfalls daran, dass der digitale Euro und das Bargeld den gleichen Schutz erfahren. Wir können doch nicht zulassen, dass es zwei unterschiedliche Definitionen für »gesetzliches Zahlungsmittel« gibt. Dies ist nach dem Vorschlag der EU-Kommission der Fall, denn Akzeptanz und Verfügbarkeit des digitalen Euros sind klarer geregelt als im Falle des Bargelds. Darf es wahr sein, dass der EU-Gesetzgeber das neue und nicht bewährte ergänzende gesetzliche Zahlungsmittel E-Euro dem bewährten und EU-verfassungsgemäßen gesetzlichen Zahlungsmittel Bargeld überordnet? Ein solches Vorgehen wirkt in der Öffentlichkeit wie ein Einfädeln der Bargeldabschaffung und weckt enorme Skepsis vor dem E-Euro.
Unsere Demokratien stehen gewaltig unter Druck. Demokratie braucht Transparenz, Ehrlichkeit und Offenheit. Wenn die Politik dem Bargeld eine Basis vorenthält, auf der es überleben könnte, und im gleichen Zuge die Bürgerinnen und Bürger besänftigt, dass Bargeld nicht in Gefahr ist und immer bleiben wird, kann das fragwürdigen Entwicklungen in die Hände spielen.
Ich bin Unternehmensberater und während meines ganzen Berufslebens hat sich immer bewahrheitet: Qualität vor Zeit. Die Euro-Länder wollen jetzt unter Zeitdruck die gesetzliche Grundlage für den E-Euro beschließen. Warum dieser Druck, warum diese Eile? Warum nicht innehalten und den Willen vieler Millionen Bürgerinnen und Bürger Rechnung tragen und dem Bargeld eine Grundlage schaffen, auf der es überleben kann?
Nachfolgend sind alle fachlichen Grundlagen und Zusammenhänge aufgeführt, warum das Bargeld mit dem von der EU-Kommission ausgestalteten Verordnungsvorschlag keine Zukunftsaussicht haben wird. Sie sind Experte, Sie werden die Zusammenhänge nachvollziehen können.
Experten der EU-Kommission schrieben jedenfalls, »a cash-like CBDC« can cause the »decline of cash due to network effects« (2). [Zu Deutsch: Eine bargeldähnliche staatliche Digitalwährung kann durch Netzwerkeffekte zum Rückgang von Bargeld führen.] Auf Anfrage erläuterte die Pressestelle in Brüssel, dass ein digitaler Euro theoretisch die Akzeptanz von Bargeld senkt und somit weniger Menschen bar zahlen oder umgekehrt eine sinkende Verwendung in geringerer Akzeptanz endet.
Der digitale Euro ist also grundsätzlich ein weiterer Konkurrent für das Bargeld, einem Zahlungsmittel, das über keinerlei Werbebudget verfügt. Brisant ist das deshalb, weil die rückläufige Nutzung von Bargeld die Infrastruktur aus Akzeptanzstellen, Geldautomaten und Bankfilialen gefährdet, bis ein Kipppunkt eintritt. In den Niederlanden lehnen bereits 16 Prozent der Apotheken Banknoten und Münzen ab (3). Es dürfte jedem klar sein, dass die Bargeld-Infrastruktur aufgrund von Kosten-Nutzen-Erwägungen schleichend zerfällt, wenn immer weniger Menschen bar bezahlen.
Die Bargeld-Verordnung nach dem Entwurf der EU-Kommission betont an allen Stellen das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Es ist also schon hier vorprogrammiert, dass die Verpflichtung von Banken und Einzelhandel in Sachen Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld nach und nach immer lockerer gehandhabt werden wird. Wichtig ist deshalb der konsequente gesetzliche Schutz des Bargelds:
- Artikel 10 E-Euro-Verordnung stellt klar, dass ein Schild an der Ladentür keine vertragliche Vereinbarung mit dem Kunden über den Ausschluss des E-Euros als Zahlungsmittel begründen kann. Diese Klarstellung fehlt in der Bargeld-Verordnung, was dazu führt, dass sich zum Beispiel der deutsche Einzelhandel auf Basis der Ausnahme von der Annahmepflicht in Artikel 5 Bargeld-Verordnung auf die Vertragsfreiheit berufen und Bargeld ablehnen wird. Davor warnte der Jurist und Ex-Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, Prof. Franz-Christoph Zeitler, im Februar (4).
- Es fehlt an einer Klarstellung in Artikel 12 Bargeld-Verordnung, dass die Euro-Länder Sanktionen nicht nur bei bestimmten Verstößen gegen die Verordnung, sondern explizit auch gegen die einseitige Ablehnung von Bargeld mit einem Schild an der Ladentür einführen müssen. Ohne eine Strafe bleibt die Vorschrift wirkungslos.
- Es steht außer Frage, dass Behörden mit Bürgerkontakt in Zukunft den digitalen Euro zur Begleichung von Verwaltungsgebühren akzeptieren werden. Beim Bargeld muss jedoch nachgebessert werden: Die Europäische Zentralbank forderte bereits am 13. Oktober 2023, klarzustellen, dass die Bargeld-Verordnung nicht nur Unternehmen, sondern genauso staatliche Stellen bindet (5).
- Der E-Euro wäre für alle Menschen mit Bank- und Internetzugang sofort verfügbar. Von jedem Ort aus kann via Handy Bankguthaben in E-Euros umgewandelt werden. Einen Geldautomat muss man jedoch suchen. Das ist ein Anreiz, kein Bargeld zu nutzen. Die Bargeld-Verordnung fordert lediglich »hinreichenden Zugang« zu Bargeld ohne jede feste Definition. Bitte erwirken Sie eine klare Vorgabe, denn die Banken haben eine Verantwortung dafür, dass sich jeder Mensch das Geld zurückholen kann, das er der Bank geliehen hat. 90 Prozent der Bevölkerung sollten innerhalb von zwei Kilometern an Bargeld gelangen, in Städten innerhalb von einem Kilometer.
- Ein Cash-Back-Angebot an der Ladenkasse darf nicht dazu führen, dass in einer Kommune der letzte Geldautomat oder die letzte Bankfiliale verschwindet. Es muss explizit eine »Bankinfrastruktur« aufrechterhalten werden, denn der Einzelhandel muss seine Einnahmen problemlos zurückführen können. Andernfalls wird Bargeld für den Handel schnell zu teuer, sobald weniger Menschen bar bezahlen. Überdies ist die einmal abgebaute Bankinfrastruktur schwer wiederherzustellen, während Cash-Back-Angebote automatisch enden, sobald der Handel zu wenig Bargeld vereinnahmt (6).
- Gemäß Verordnungsvorschlag bestimmt die EU-Kommission die Regeln der Akzeptanz- und Verfügbarkeitsüberwachung [die sogenannten Indikatoren nach Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung]. Es ist dabei nirgends definiert, dass zur Verifizierung hinreichender Verfügbarkeit Kriterium sein muss, dass die Abhebung vom Bargeld am einzigen Automaten in Wohnortnähe kostenfrei ist, egal bei welcher Bank man Kunde ist.
- Die Überwachung der Akzeptanz von Bargeld sollte lediglich sicherstellen, dass das bislang einzige staatliche Zahlungsmittel überall angenommen wird. Die Messmethode bestimmt laut Verordnung die EU-Kommission. Hier muss klar vorgegeben werden, dass nicht nur die Akzeptanz im Lebensmittelhandel oder bei Apotheken, sondern genauso bei Behörden, im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, in der Gastronomie- und Unterhaltungsbranche, im Hotelgewerbe und bei öffentlichen Parkplätzen im Auge behalten wird.
- Discounterketten bieten Kunden Rabatte an, wenn sie mit einer Handy-App bezahlen – oder in anderen Worten: mit ihren Daten. Preisnachlässe zu Lasten der gesetzlichen Zahlungsmittel gehören verboten.
- Die EU-Kommission behält sich in der Bargeld-Verordnung das Recht vor, weitere Ausnahmen vom Grundsatz der Bargeld-Annahmepflicht vorzusehen. Das sollte nur über das ordentliche Gesetzgebungsverfahren unter Einbezug der Öffentlichkeit möglich sein.
Was werden Sie tun, um einen wirksamen Schutz des Bargelds zu gewährleisten und so dem Willen von Millionen von Bürgern zu entsprechen?
Mit den besten Wünschen
Hansjörg Stützle
Unser Brief an den Ministerrat war ein kleiner, aber wichtiger Schritt. Sie können mithelfen, indem Sie anderen Menschen von unserer Petition erzählen. Gemeinsam können wir bis Oktober eine Millionen Unterschriften sammeln und die Politik zum konsequenten Schutz des Bargelds bewegen.
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Quellenangaben
(1) Siehe unter https://bargeldverbot.info/pressebereich
(2) EU-Kommission, »Quarterly Report on the Euro Area«, Ausgabe 20, Nr. 3 (2021), S. 40
(3) Niederländische Nationalbank, 18. März 2024, »Terugloop cash aan kassa gestagneerd, behalve bij parkeren, bioscoop en apotheek«
(4) Börsen-Zeitung, 24. Februar 2025, https://www.boersen-zeitung.de/konjunktur-politik/das-bargeld-absichern-jetzt
(5) Opinion of the European Central Bank of 13 October 2023 on a proposal for a regulation on the legal tender of euro banknotes and coins, CON/2023/31
(6) In Großbritannien verabschiedet sich der Einzelhandel bereits wieder vom Cash-back-System. Darauf weist Claudio Zeitz-Brandmeyer hin, Mitarbeiter beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, in einem Interview mit VDI/VDE für die Studie »Bargeld der Zukunft« im Auftrag der Deutschen Bundesbank, Januar 2024, S. 71
Ganz herzlichen Dank Herr Stützle! So eine wichtige Aktion!
Konsequenterweise sollte das Buch über den Buchhandel zu beziehen sein, so dass man die Möglichkeit hat, mit Bargeld zu bezahlen.
Das sicher interessante Buch über den Buchhandel zu beziehen und mit Bargeld zu bezahlen wäre logischer und mir auch lieber. Gibt es eine ISBN?
Ja, das Buch wird über den Buchhandel erhältlich sein. Die ISBN-Nr. werden wir im Rahmen unseres Newsletters noch mitteilen. Aktuell liegt es uns noch nicht vor.
Was ist mit all den Menschen, die kein Internet haben, die keinen PC, Laptop oder Handy haben ? In meinem Umfeld kenne ich Viele davon. Was ist, wenn der Strom ausfällt ? Ich selbst, 90 Jahre alt, weiß mit dem Handy kaum umzugehen. Ich wüsste nicht, wie ich mit dem Handy eine Überweisung machen, oder was bezahlen sollte. Ich mache auch kein Onlinebanking. Ich hatte es mal gemacht. Da bin ich gleich einem Betrüger auf den Leim gegangen. Seit dem habe ich es wieder abgemeldet. Es gibt Schwimmbäder, öffentliche Verkehrsmittel und auch Cafes, etc. wo nur noch mit der Karte bezahlt werden kann. Kinder, die keine Karte haben, können nicht schwimmen gehen, oder den Buss benutzen. Ein Kind, das nur Bargeld hatte, wurde, bei einer Kontrolle, als Schwarzfahrer bezeichnet und bei der nächsten Haltestelle, irgendwo in der Stadt, rausgesetzt. Es wusste nun nicht, wo es war…….
Das Bargeld soll erhalten bleiben.
Mich erschreckt immer mehr die Gleichgültigkeit und Oberflächlichkeit der Leute zu einem so wichtigen Thema!
Ich möchte nicht auf Schritt und Tritt überwacht werden. Es gibt auch sensible Bereiche im Leben, die man nicht unbedingt mit anderen teilen will. Zum Beispiel gibt es Männer, die zu einer Nutte gehen oder andere Männer wie Frauen, die in einen Swinger-Club gehen u.s.w.. Es gibt auch auf anderen, politischem oder ethischem Gebiet manches, was man nicht öffentlich ausposaunen möchte. Das beste Beispiel ist Trump, der alle verfolgen lässt, die in irgendeiner Weise gegen ihn votierten. Da muss man nicht einmal nach totalitären Staaten schauen.
Danke für die mühevolle Arbeit und der vielen Zeit zur Bargeldhaltung.
Ich habe jedoch jedes Vertrauen und Glauben an Politiker verloren. Wir sehen täglich die Ignoranz und Unfähigkeit dieser.
Letztendlich liegt es an uns Menschen, was daraus wird.
Wir können nur gemeinsam aufklären und Vorbild sein. Ich habe Flyer verteil, die Petition in in Gruppen geteilt und suche immer wieder das Gespräch… vor allem mit den jungen Menschen
Klasse Arbeit, mit der richtigen Energie! Friedlich aber konsequent & zielsicher
Eine Idee wäre noch, eine Massendemonstration für eben genau diese oben im offenen Brief genannten Punkte durchzuführen, z.B. in Frankfurt a.M. oder Brüssel. Aber dabei monothematisch bleiben: Ein Tag für die Freiheit und den Erhalt/Widerherstellung der unbegrenzten Zahlung mit Bargeld (andere Zahlungsmittel können ja ebenso genutzt werden) im Wirtschaftskreislauf. Ich selbst kann mich bei der Organisation einer solchen Demo momentan nicht beteiligen, deshalb hier nur der Vorschlag 🙂
Selbst wenn diese offenen Briefe von den Empfängern nicht gelesen bzw. umgesetzt werden, so sendet das lebhaft darin pulsierende Signal und diese gesamte freiheitlich-wohlwollende Initiative dennoch enorme Impulse in alle Ebenen der Gesellschaft und darüber hinaus.
Von Herzen vielen Dank und weiter so, chapeau!
Bargeldabschaffung ist wohl die krasseste Form von Digitalzwang und schafft struktuelle Alternativlosigkeit und absolutes ausgeliefert sein in vollständiger Abhängigkeit.
Es ist eben der elementare Unterschied, ob ich digital zahlen kann oder digital zahlen muss, der zeigt dass an der Kasse wählen (bar zahlen oder digital zahlen) die wichtigste politische Wahl ist, die man treffen kann.