Bayern verspricht, Akzeptanz von Bargeld zu gewährleisten
CSU und Freie Wähler versprechen, das Bargeld zu schützen, und wettern gegen die geplante EU-weite Bargeldobergrenze. Im Freistaat Bayern währenddessen lehnen erste Geschäfte Banknoten und Münzen ab. Zunehmend verschwinden auch Geldautomaten. Was sagen die Regierungsparteien und das Münchner Finanzministerium? Von Hakon von Holst, 28.11.2023.
Nach den Landtagswahlen vom 8. Oktober 2023 setzen CSU und Freie Wähler ihre Zusammenarbeit auf Regierungsebene fort. Im Koalitionsvertrag für die nächsten fünf Jahre heißt es: »Die allgemeine Verfügbarkeit des Bargeldes, seine Nutzung ohne Obergrenze sowie seine Akzeptanz als gesetzliches Zahlungsmittel müssen erhalten bleiben.«
Damit bekräftigt erstmals eine Regierung im föderalen Deutschland, den Zugang zu Bargeld und seine Annahme im Einzelhandel sicherstellen zu wollen. Laut der Deutschen Bundesbank verschwand zwischen 2018 und 2021 knapp jede vierte Bankfiliale. Auch die Geldautomaten reduzieren sich inzwischen. Entrüstung darüber ist immer wieder Gegenstand medialer Berichterstattung (1). Im Münchner Merkur beklagt etwa die Bürgermeisterin des oberbayerischen Ottenhofens den geplanten Abbau des letzten Sparkassen-Bankomats in der Gemeinde.
Nach bayerischem Gesetz ist es Aufgabe der Sparkassen, »den bargeldlosen Zahlungsverkehr in jeder Weise zu fördern«. Erst in der nachrangigen Sparkassenordnung aus dem Staatsministerium des Innern finden Banknoten und Münzen indirekt Erwähnung. So heißt es in Paragraf eins zum Auftrag der Sparkassen, dass ihnen »die angemessene und ausreichende Versorgung aller Bevölkerungskreise« mit geldwirtschaftlichen Leistungen auch in der Fläche obliege. »Sie unterstützen damit die Aufgabenerfüllung der Kommunen im wirtschaftlichen, regionalpolitischen, sozialen und kulturellen Bereich.«
Bargeld hat keinen besonderen Wert, wenn man es nicht ausgeben kann. Was tut sich im Einzelhandel? Eine bayerische Bäckereikette mit 150 Standorten unterhält seit Ende März 2022 eine bargeldlose Filiale in Nürnberg: »Nur Karten, Smartwatch oder Smartphone werden akzeptiert«, schrieben die Nürnberger Nachrichten zu Jahresbeginn 2023. »Eigentlich sollte dies die einzige Testfiliale bleiben – doch die Bäckerei hat anders entschieden.« Vor dieser Entwicklung warnte Österreichs Nationalbankchef Robert Holzmann im Interview mit der Kronen-Zeitung vom 14. August 2023: »›Wehret den Anfängen‹, kann ich da nur sagen.«
Im Fokus steht die Bargeldobergrenze
Anfang November 2023 konfrontierte ich CSU und Freie Wähler mit den Beispielen Ottenhofen und Nürnberg. »An welche Maßnahmen denken Sie auf Landesebene, um dem Ziel der Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld zu dienen?«, frage ich. »An eine Annahmepflicht für Bargeld in lebenswichtigen Branchen« oder »an eine Änderung des Sparkassengesetzes, um für alle Teile der Bevölkerung einen adäquaten Zugang zu Bargeld sicherzustellen?«
Die Pressestelle der Freien Wähler übersendet mir daraufhin zwei »weiterhin beständige« Stellungnahmen. So äußerte etwa der ehemalige Richter und Staatsanwalt Gerald Pittner, bis dato noch Landtagsabgeordneter, am 19. Juli 2023: »Verbrecher halten sich nicht an Verbote. Deshalb ist eine Regelung zur generellen Begrenzung von Bargeldzahlungen auf höchstens 10.000 Euro allen ehrlichen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber vollkommen unverhältnismäßig.«
Die andere Erklärung stammt vom 9. Dezember 2022: »Wir wollen keine staatliche Zwangsmaßnahme, deren vermeintlicher Vorteil zur Kriminalitätsbekämpfung überhaupt nicht belegt ist«, sagt darin Landesvorsitzender Hubert Aiwanger. Anlass war die Forderung nach einem Bargeldverbot ab 10.000 Euro von Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Im März 2023 sprach sich dann der Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments dafür aus, Barzahlungen ab 7000 Euro zu unterbinden.
»Vielen Dank«, antworte ich der Pressestelle. »Meine Frage zielte jedoch auf die Landesebene ab: Gibt es bereits Ideen, wie die Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld landesrechtlich besser abgesichert werden kann?« Da müsse ich mich besser direkt an die Landtagsfraktion wenden, bekomme ich zurück. Dort erhalte ich dann ebenso wenig Antwort wie von der CSU-Landespartei.
Daraufhin schicke ich meine Anfrage direkt an die Staatsregierung und erhalte Post vom Finanzministerium. Anbei vier Pressestatements vom Chef des Hauses: Albert Füracker. Ein »Indiz dafür, dass die schleichende Abschaffung des Bargelds weiter Fahrt aufnimmt«, kommentiert der Minister etwa die Pläne für ein 7000-Euro-Bargeldverbot aus dem EU-Parlament.
»Für fast jeden bargeldlosen Bezahlvorgang zahlt der Händler an die Bank Transaktionsgebühren, die er in seine Produkte einpreisen wird«, ergänzt Melanie Huml, bis vor wenigen Wochen Bayerns Europaministerin, in derselben Pressemitteilung. »Das führt zu versteckten Preissteigerungen. Schon jetzt gilt in Deutschland ein Barzahlungsverbot bei Immobiliengeschäften. Eine weitere Verschärfung lehnen wir ab. Ich werde im weiteren EU-Gesetzgebungsverfahren dafür kämpfen, dass die Bargeldobergrenze möglichst hoch eingezogen wird.«
Auch die Pressestatements aus dem CSU-geführten Finanzministerium liefern ausnahmslos Kritik an Barzahlungslimits, wie sie in 16 der 27 EU-Staaten bestehen (2). Auf meine eigentliche Frage antwortet mir die Sprecherin: »Die Bayerische Staatsregierung wird sich weiterhin mit Nachdruck für den Erhalt der guten Bargeldversorgung in Deutschland einsetzen, dies bekräftigt auch der vor wenigen Wochen abgeschlossene Koalitionsvertrag.« Und weiter: »Ob und gegebenenfalls welche konkreten Maßnahmen und Initiativen dafür erforderlich sind, steht derzeit noch nicht fest.«
Finanzministerium verspricht einzugreifen
Ich hake nach: »Gibt es auf Ebene der Staatsregierung Pläne für Maßnahmen oder Initiativen«, die »Akzeptanz von Bargeld in allen Läden des Einzelhandels wiederherzustellen und sicherzustellen« oder »den Betrieb von bargeldlosen Selbstbedienungskassen« in Geschäften zu unterbinden?
Das Finanzministerium antwortet: »Sofern notwendig, werden mögliche konkrete Maßnahmen zur Sicherung oder Förderung der Akzeptanz von Barzahlungen eingeleitet.« Für mich bleibt offen, wann der magische Punkt erreicht ist und ob er sich im Prozess schleichender Gewöhnung an eine bargeldlose Welt im Gleichschritt mit der Gesellschaft fortbewegen wird.
Anmerkungen
(1) Siehe etwa auch: https://www.tagesschau.de/investigativ/report-mainz/sparkassen-113.html
(2) Der verlinkte Artikel rechnet auch Ungarn und Polen mit ein, die lediglich Anforderungen an Handelsgeschäfte von Unternehmen untereinander stellen, nicht zwischen Privatkunde und Unternehmen.
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