Norwegen will das Bargeld abschaffen

Letzte Woche berichtete Bargeldverbot.info über die Rolle von Deutsche Bank und JPMorgan bei der Bargeldabschaffung. Heute geht es um die Bemühungen der norwegischen Finanzbranche, Bargeld den Garaus zu machen. Von der inzwischen regierenden Arbeiterpartei und der ehemaligen Ministerpräsidentin Erna Solberg erhält sie dabei Unterstützung. Die Abschaffung großer Banknoten und die Einführung einer Bargeldobergrenze wurde von der größten Bank Norwegens als Einstieg in den Ausstieg aus dem Bargeld propagiert.

Norwegische Bankenlobby schreit nach der Bargeldabschaffung

Wir beginnen die Betrachtung chronologisch und reisen acht Jahre in die Vergangenheit. Finance Norway ist eine Interessenvertretung von mehr als 200 Unternehmen der Finanzindustrie (Banken, Versicherungen und andere). 2014 gab die Organisation ihre Unterstützung der Bargeldabschaffung bekannt. Icenews berichtete:

»Finance Norway befürwortet ein Ende für Bargeldtransaktionen in dem skandinavischen Land und behauptet, dass eine solche Maßnahme Probleme wie Finanzkriminalität, so genanntes Schwarzgeld und Raubüberfälle verhindern könnte. Der Verband, der 200 aktive Finanzinstitutionen […] vertritt, sagte, dass es möglich sei, in einer bargeldlosen Gesellschaft zu leben, da [heute] nur ein kleiner Teil der Transaktionen mit Bargeld durchgeführt werde.«

Die Lobbygruppe prognostizierte, dass Norwegen auf dem besten Weg wäre, bis 2020 eine bargeldlose Gesellschaft zu werden. Zum Glück hat sich diese Prophezeiung bis jetzt nicht erfüllt.

Chefs von DNB und Deutsche Bank fordern eine Bargeldabschaffung

Vom 20. bis 23. Januar 2016 fand in Davos das Weltwirtschaftsforum statt. John Cryan, Chef der Deutschen Bank (2015–2018), sagte dort:

»Aber wir machen uns Sorgen um Bargeld, denn ich denke, das sollte entmaterialisiert werden. Ich denke, die Welt hat genug robuste Technologie. Und ich denke, die Regierungen wären daran interessiert. Denn es ist ein altes Sprichwort, dass der 500-Euro-Schein der größte Freund der Geldwäscher ist, weil er anonym ist und einen relativ großen Wert hat. Es wäre besser, wenn alles nachvollziehbar wäre.«

Auch die bekannte norwegische Zeitung Verdens Gang berichtete aus Davos. Am 22. Januar 2016 veröffentlichte sie ein Interview mit einem der Direktoren der DNB, Trond Bentestuen. Es sei angemerkt: Die DNB ist die größte Bank Norwegens; sie schloss 2021 mit einer Bilanzsumme von etwa 330 Milliarden US-Dollar. Bentestuen äußerte sich wie folgt:

»Es gibt so viele Gefahren und Nachteile, die mit Bargeld verbunden sind, dass wir zu dem Schluss gekommen sind, dass es abgeschafft werden sollte.«

Zu seiner Verteidigung berief sich der Direktor in dem Interview auf John Cryan. Der habe gerade hier in Davos gesagt, dass wir das Bargeld abschaffen sollten.

Pikanterweise ist die norwegische Regierung mit Abstand der größte Anteilseigner der DNB. Das Ministerium für Handel, Industrie und Fischerei hält mehr als ein Drittel der Aktien. Kann es denn wirklich sein, dass der Staat keinen Einfluss darauf hatte, ob Trond Bentestuen und die DNB eine Bargeldabschaffung fordern oder ob sie das unterlassen?

Anfang Februar 2016 gab die DNB bekannt, dass sie ihr Filialnetz von 116 auf 57 Zweigstellen reduzieren wird. Und wenige Monate danach führte die DNB auch noch eine Gebühr für die Bargeldauszahlung an ihren eigenen Automaten ein.

Discounter im Kampf gegen das Bargeld

Die Zeitung Verdens Gang ließ am 22. Januar 2016 auch weitere Stimmen zu Wort kommen. So zum Beispiel den Chef der großen Lebensmittel-Discounter-Kette Rema 1000. Auch er brachte seine Unterstützung für die Bargeldabschaffung zum Ausdruck. Ironischerweise sei gesagt, dass Trond Bentestuen 2018 von der DNB an die Spitze von Rema 1000 wechselte.

Auch in Deutschland werben Discounter dafür, Bargeld den Rücken zu kehren. Lidl hat Anfang 2020 gemeinsam mit den Banken eine Kampagne gestartet: »Mit Karte, bitte« lautet das Motto.

Norwegische Parteien pro Bargeldabschaffung

Von Verdens Gang wurde parallel zum Interview mit Trond Bentestuen auch Marianne Marthinsen zitiert, damals finanzpolitische Sprecherin der Arbeiterpartei. Sie sagte, dass ihre Partei gerne eine Debatte über eine schrittweise Abschaffung des Bargelds aufnehme.

Genau ein Jahr später ging der Digitalisierungsagenda der konservativen Partei durch die Presse. Verdens Gang berichtete am 7. Januar 2017, dass die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg die Pläne ihrer Partei Høyre vorgestellt hat. In einer Broschüre der Konservativen heißt es unter Punkt 5.2.5, dass der Parteiausschuss zur Bekämpfung der Kriminalität empfiehlt:

  • bis zum Jahr 2020 die Verpflichtung für den Handel aufzuheben, an der Ladenkasse Bargeld zu akzeptieren,
  • und zwar mit dem Ziel, bis zum Jahr 2030 eine bargeldlose Gesellschaft zu werden.

In der norwegischen Presse kam dann auch gleich Idar Kreutzer zu Wort, der Chef von Finance Norway. Der sagte, die Bargeldabschaffung wäre ein großer Gewinn. Da muss man sich nicht wundern.

Zentralbank arbeitet an Digitalwährung

Am 25. April 2017 erwähnte der stellvertretende Gouverneur der norwegischen Zentralbank, Jon Nicolaisen, dass seine Notenbank zu einer digitalen staatlichen Währung forscht. Auch die Europäische Zentralbank arbeitet inzwischen an elektronischem Zentralbankgeld für die Allgemeinheit. Obwohl EZB-Chefin Christine Lagarde 2020 beteuert hat, ein digitaler Euro »würde unser Bargeld ergänzen, aber nicht ersetzen«, scheint sie selbst nicht daran zu glauben:

So stimmte Lagarde Deutsche-Bank-Chef John Cryan zu, als er 2016 in Davos prophezeite, dass es Bargeld in zehn Jahren wahrscheinlich nicht mehr geben wird. Knapp drei Jahre später fragte sie in Singapur, wer denn in 10, 20, 30 Jahren noch mit Bargeld bezahlen werde, und sprach sich für die Einführung einer nicht anonymen digitalen Währung aus, bei der es dem Staat möglich ist, alle Zahlungen nachzuvollziehen. Außerdem wollte sie 2019 vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des EU-Parlaments (ECON) eine Bargeldabschaffung nicht ausschließen.

Die Abschaffung des 500-Euro-Scheins und das Bargeldverbot ab 5000 Euro

Kommen wir zurück zu dem Interview der Verdens Gang mit Trond Bentestuen vom 22. Januar 2016. Der DNB-Direktor machte in diesem Gespräch auch konkrete Vorschläge, wie der norwegische Staat an die Bargeldabschaffung herangehen, wie er Bargeld zum Verschwinden bringen kann:

»Es sollte einen Plan geben, wie man es auslaufen lassen kann. Die Dänen haben damit begonnen, Vorschriften einzuführen, wonach es nicht erlaubt ist, mit mehr als 50.000 Kronen in bar zu bezahlen. In Norwegen hat sich das Parlament gegen eine Obergrenze von 40.000 Kronen ausgesprochen. […]. Die Abschaffung des 1000-Kronen-Scheines ist ein weiterer Schritt in Richtung einer bargeldlosen Gesellschaft.«

1000 Norwegische Kronen entsprechen umgerechnet nur rund 100 Euro. Trond Bentestuen wurde mit diesen Worten am 22. Januar 2016 von der norwegischen Presse zitiert.

Offenbar lag da etwas in der Luft. Am 26. Januar 2016, also vier Tage später, machte das Handelsblatt in Deutschland bekannt, dass sich die SPD um eine Bargeldobergrenze ab 5000 Euro und die Abschaffung des 500-Euro-Scheins bemüht. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) arbeitete parallel bereits an einem europaweiten Verbot von Barzahlungen ab 5000 Euro, wie derselbe Bericht ans Licht brachte.

Was bedeutet eine Obergrenze ab 5000 Euro konkret? Angenommen, Sie entdecken im Internet eine Kleinanzeige für einen Gebrauchtwagen. Sie testen das Auto und wollen dem Verkäufer 5500 Euro bezahlen. Wenn Sie nicht unmittelbar mit Bargeld bezahlen können, weil es verboten ist, wird der Verkäufer Ihnen nicht sogleich Autoschlüssel und Fahrzeugpapiere überreichen wollen. Sie müssen plötzlich ein Risiko eingehen und in Vorleistung treten.

Noch bevor der Rat der Europäischen Zentralbank am 4. Mai 2016 beschloss, den 500-Euro-Schein nicht mehr auszugeben, begann die EZB mit seiner Vernichtung. Der bekannte Ökonom Hans-Werner Sinn schrieb in einem Gastbeitrag für die FAZ:

»Es geht um den Wunsch der EZB, die Einlagenzinsen noch weiter in den negativen Bereich zu schieben. Derzeit verlangt die EZB einen Strafzins von 0,3 Prozent für das Geld, das Banken bei ihr einlegen. Am liebsten würde sie noch mehr verlangen, doch kann sie nicht weiter gehen, weil Banken dann lieber Bargeld horten.« FAZ, 07.02.2016

Das Einzige, was die Banken davon abhalte, nur noch Bargeld zu halten, wären die Kosten der Aufbewahrung der Banknoten in den Tresoren. Wenn die Banken nun gezwungen würden, statt der 500-Euro-Scheine die etwas kleineren 200-Euro-Scheine zu halten, stiegen die Tresorkosten etwa auf das Zweieinhalbfache. Somit müsste die EZB auch den Strafzins um das Zweieinhalbfache anheben können.

Hans-Werner Sinn prognostizierte, dass die Bankkunden bald Strafzinsen auf ihre Bankkonten zahlen müssen. Und damit behielt er recht. Am 01. April 2022 berichtete die Tagesschau, dass der eine oder andere Bürger inzwischen ab einem Guthaben von 5000 Euro mit Negativzinsen bestraft wird.

Aktiv werden für den Erhalt des Bargelds

Dass sich die norwegische Finanzindustrie so offen für eine Bargeldabschaffung positioniert, hat eine Bewandtnis: Sie kann es tun, weil der Bürger es ihr nicht übel nimmt. Nur mehr 4 Prozent der Einkäufe werden mit Bargeld bezahlt. Auch der Bürger in Österreich, Deutschland und der Schweiz läuft Gefahr, eines Tages von der Bargeldabschaffung überrollt zu werden. Auch bei uns wird jetzt seltener mit Bargeld bezahlt. Für die Schweiz steht gar die Prognose im Raum, dass in fünf Jahren jeder zweite Bankautomat verschwunden sein könnte.

Bargeld ist nur so lange BarGELD, wie es als Zahlungsmittel im Alltag Verwendung finden kann. Wenn der Handel Bargeld ablehnt, könnten selbst Privatverkäufer kein Interesse mehr an Banknoten und Münzen haben, weil sich im Alltag keine Möglichkeit findet, davon Gebrauch zu machen, und weil die Bankfilialen verschwunden sind, bei denen man noch hätte Bargeld einzahlen können.

Es ist also unbedingt notwendig, unsere Mitmenschen auf den Wert von Bargeld für jeden Einzelnen, für Familien und für die Gesellschaft aufmerksam zu machen. Sie können das tun, indem Sie:

Falls Sie Kontakte nach Norwegen besitzen, können Sie Ihren nordischen Bekanntenkreis auf die Initiative JA til kontanter (»Ja zum Bargeld«) aufmerksam machen.

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Dieses düstere Bild verdichtet sich immer mehr bei Wissenschaftlern und auch in den Medien – das Bild einer unfreien, fremdbestimmten und ferngesteuerten Gesellschaft. Der Autor entlarvt in seinem Buch detailliert die Hintergründe der schleichenden, aber keineswegs zufälligen Abschaffung des Bargelds und skizziert deren verheerende Folgen.

Mehr als 100 Grafiken ermöglichen es auch Laien, die komplexen Zusammenhänge leicht zu verstehen. Dabei folgt Hansjörg Stützle seinem Anspruch, nicht nur aufzuklären, sondern auch Lösungen aufzuzeigen. So beleuchtet er die Bargeldabschaffung auch aus dem Blickwinkel der morphischen Felder. Dieser Perspektivenwechsel schafft Raum für Hoffnung und bietet jedem Einzelnen die Chance, ein wichtiger und unverzichtbarer Teil der Lösung zu sein.

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