Edward Snowden zum geplanten digitalen Zentralbankgeld
Die Europäische Zentralbank hat die Einführung einer digitalen Währung angekündigt. Und auch in vielen anderen Ländern der Welt wird an der Etablierung einer solchen Einrichtung gearbeitet. Am 9. Oktober hat sich der weltbekannte Whistleblower Edward Snowden zu diesem Thema zu Wort gemeldet. Aus seinem russischen Exil.
Was ist digitales Zentralbankgeld?
Am Beispiel des Dollars erklärt Edward Snowden die Bedeutung der digitalen Währung:
»[…] digitales Zentralbankgeld ist KEIN, es ist KEIN digitaler Dollar, wie Sie vielleicht bei Wikipedia nachlesen können. Schließlich sind die meisten Dollars bereits digital und existieren nicht als etwas Gefaltetes in Ihrer Brieftasche, sondern als Eintrag in der Datenbank einer Bank […].
Eine digitale Zentralbankwährung ist auch keine Übernahme des Konzepts der Kryptowährung auf staatlicher Ebene – zumindest nicht der Kryptowährung, wie sie so ziemlich jeder auf der Welt, der sie verwendet, derzeit versteht.
Stattdessen ist das digitale Zentralbankgeld eher eine Perversion der Kryptowährung […] – eine kryptofaschistische Währung, […] die […] ausdrücklich dazu bestimmt ist, ihren Nutzern das grundlegende Eigentum an ihrem Geld zu verweigern und den Staat als Vermittler jeder Transaktion einzusetzen.«
Die Entwicklungen im Geldsystem aus der Adlerperspektive
Edward Snowden wählt in seinem Aufsatz eine langfristige Perspektive und zeigt die Entwicklung des Geldsystems von seinen Anfängen bis zur weitgehenden Abschaffung des Bargelds und der Entstehung seines neuen Konkurrenten, dem digitalen Netzwerk beziehungsweise der digitalen Zentralbankwährung:
»Beginnend mit der Zunahme des Drucks von Papierscheinen, fortgesetzt mit der Aufhebung des Rechts, sie in Münzen umzutauschen, und gipfelnd in der Entwertung der Münzen selbst mit [dem Verzicht auf Edelmetalle durch den Einsatz von] Zink und Kupfer, erreichten die Stadtstaaten und später die unternehmungslustigen Nationalstaaten schließlich das, was unser alter Freund Waller und seine Kumpanen bei der Fed großzügig als souveräne Währung bezeichnen würden: einen hübschen Geldschein. Wenn man die Währung auf diese Weise versteht, ist es nur ein kurzer Sprung vom Schein zum Netzwerk. Das Prinzip ist dasselbe: Das neue digitale Symbol [für einen Wert] zirkuliert neben dem zunehmend verschwindenden alten physischen Symbol.«
Die Fed ist die amerikanische Notenbank. Snowden führt weiter aus:
»So wie man früher das alte amerikanische Silberzertifikat aus Papier gegen eine glänzende Silberdollarunze eintauschen konnte, so kann man auch heute noch das Guthaben an digitalen Dollars, das auf der Banking-App des Telefons angezeigt wird, bei einer Geschäftsbank gegen einen bedruckten grünen Schein eintauschen, solange diese Bank zahlungsfähig bleibt oder die Einlagensicherung einspringt.
Sollte Ihnen dieses Einlösungsversprechen ein schwacher Trost sein, so sollten Sie sich daran erinnern, dass der Schein in Ihrem Geldbeutel immer noch besser ist als das, wofür Sie ihn eingetauscht haben: eine bloße Forderung auf einen Schein für Ihren Geldbeutel. Und wenn der Schein erst einmal sicher in Ihrem Geldbeutel oder Ihrer Brieftasche verstaut ist, hat die Bank keinen Einfluss mehr darauf, wie und wo Sie den Schein verwenden, und weiß es auch nicht. Außerdem funktioniert der Schein auch noch, wenn das Stromnetz ausfällt.«
Illegale Transaktionen via Banküberweisung
Der Whistleblower, der die Arbeiten der US-Regierung und der NSA an einer weltumspannenden Totalüberwachung der Bevölkerung bekannt gemacht hat, stellt die seit langem währende staatliche Kontrolle des Geldwesens infrage. Dabei wählt er das antike Rom als Sinnbild für das amerikanische Imperium:
»Diese aufstrebenden Kryptowährungskonkurrenten stellen eine epochale Veränderung dar, da sie die Möglichkeit versprechen, überprüfbare Werte unabhängig von staatlicher Genehmigung zu speichern und zu bewegen, und ihre Nutzer somit dem Zugriff Roms entziehen. Der Widerstand gegen einen solchen freien Handel verbirgt sich allzu oft unter einer Fassade paternalistischer Besorgnis, wobei der Staat behauptet, dass der Markt ohne seine eigene liebevolle Vermittlung unweigerlich zu illegalen Spielhöllen und Fleischtöpfen voll von Steuerbetrug, Drogenhandel und Waffenschmuggel verkommen würde.
Es ist jedoch schwierig, dieser Behauptung zuzustimmen, wenn niemand Geringeres als das Referat für Terrorismusfinanzierung und Finanzkriminalität des US-Finanzministeriums feststellt:
›Obwohl virtuelle Währungen für illegale Transaktionen verwendet werden, ist das Volumen im Vergleich zum Umfang illegaler Aktivitäten durch traditionelle Finanzdienstleistungen gering.‹ [Jennifer Fowler]«
Eine virtuelle Währung ist unter anderem die Bitcoin-Kryptowährung. Eine traditionelle Finanzdienstleistung ist zum Beispiel die ganz alltägliche Banküberweisung.
Die Interessen der Finanzindustrie
Von einem liebevollen und uneigennützigen Handeln des Staates kann keine Rede sein, macht Snowden deutlich und mahnt damit zur Wachsamkeit vor staatlicher Propaganda:
»Traditionelle Finanzdienstleistungen sind natürlich das eigentliche Gesicht und die eigentliche Definition von Vermittlung – Dienstleistungen, die danach trachten, an jedem unserer Tauschgeschäfte ein Stück für sich selbst abzuschneiden.«
Gegen Ende schreibt Snowden:
»Ich riskiere ein paar Leser, wenn ich behaupte, dass der kommerzielle Bankensektor nicht […] die Lösung, sondern tatsächlich das Problem ist – eine parasitäre und völlig ineffiziente Branche, die ihre Kunden ungestraft ausgenutzt hat, gestützt durch regelmäßige Rettungsaktionen der Fed, dank der zweifelhaften Fiktion, dass sie ›zu groß ist, um zu scheitern‹.«
Snowdens Artikel in voller Länge auf Englisch finden Sie hier.
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